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ERZÄHLUNGEN
aus Russland
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Wladimir Galaktionowitsch Korolenko
und seine Erzählungen
Von B. Ljetow
Der hervorragende russische Schriftsteller wurde in der Ukraine
geboren.
Seine Kindheit und Jugend verlebte er in den Städten Shitomir und
Rowno. Sein Vater, der Kreisrichter Galaktion Afanasjewitsch Korolenko,
war ein anspruchsloser, fleißiger Arbeiter von einer für die damaligen
Beamten seltenen Ehrlichkeit. Er gehörte dem Adel an, besaß aber
weder Land noch leibeigene Bauern und lebte mit seiner Familie nur
von seinem nicht hohen Gehalt.
Die frühesten Kindheitserinnerungen des Schriftstellers knüpften
sich an jene Zeit, da die Leibeigenschaft in Russland sich ihrem Ende
näherte.
Der Knabe hörte oft von seiner Umgebung, dass „die Bauern nicht
länger den Herren gehören wollten“. Aus den umliegenden Dörfern
drangen Nachrichten über Bauernunruhen. In der Küche, wohin der
kleine Korolenko des Abends gerne ging, hörte er die Gespräche der
Dienerschaft über die zu erwartende „Freiheit“, und was sie von den
harten Gutsbesitzern erzählten. Der Knabe sah auch selbst solche
Gutsbesitzer.
Alle diese Eindrücke hinterließen eine tiefe Spur im Bewusstsein des
künftigen Schriftstellers. Früh begann er zu verstehen, welche Ungerechtigkeit
in der Leibeigenschaft lag, und er lernte die Unterdrücker
genauer zu betrachten. Er besuchte zuerst das Gymnasium in Shitomir,
dann in Rowno.
Die Schuljahre waren eintönig und langweilig. Einen Tag um den anderen
saßen die Gymnasiasten über trockenen, uninteressanten Lehrbüchern
und büffelten. Die Lehrer verhielten sich den Wissenschaften
gegenüber gleichgültig, ihren Zöglingen gegenüber feindlich.
Jedoch gab es damals auch welche, die ihre Arbeit aufrichtig liebten
und ernst nahmen, fesselnd unterrichteten und ihren Schülern mit
Achtung und Aufmerksamkeit begegneten. Es waren junge Menschen,
die die Universität erst vor kurzem verlassen hatten.
Die markanteste Persönlichkeit unter ihnen war der Lehrer der russischen
Literatur, Benjamin Wassiljewitsch Awdijew. Er war ein begabter
Pädagoge, beherrschte sein Fach sehr gut und verstand es, in seinen
Schülern ein echtes Interesse und die Liebe zur Literatur zu wecken.
Der Schüler Wladimir bekam vom Lehrer die Dichtungen von Nekrassow
und Schewtschenko und die besten Werke von Gogol, Turgenjew
und Leo Tolstoi. Alle diese Werke wurden damals nicht behandelt,
und man empfahl sie nicht einmal als Lesestoff. Von Awdijew erhielt er
auch zum ersten Mal die Aufsätze der großen russischen Revolutionär-
Demokraten Belinski, Tschernyschewski und Dobroljubow, und er
las sie mit Begeisterung.
„Die schöne Literatur hörte für mich auf, bloß eine Unterhaltung zu
sein, sie wurde eine hinreißende und sehr ernste Sache“, sagte Korolenko
später.
Seit jener Zeit wurden die Werke der fortschrittlichen russischen
Schriftsteller für ihn und für viele seiner Kameraden die wirklichen
„Lehrbücher des Lebens“.
Im Sommer 1871 beendete Korolenko das Gymnasium und fuhr nach
Petersburg, um dort seine Studien fortzusetzen. Er interessierte sich
für Literatur und Sprachwissenschaft. Aber der Zutritt zur Universität
war ihm verschlossen: das Gymnasium in Rowno war ein Realgymnasium,
das heißt, in ihm wurden, im Unterschied zum klassischen,
vorzugsweise die mathematischen Fächer gelehrt. Das Realgymnasium
gab nur das Recht, in eine der höheren technischen Lehranstalten
einzutreten.
Korolenko wählte das Technologische Institut.
Während der Studienjahre musste er einen harten Kampf um seine
Existenz führen. Die Tage vergingen in erfolglosen Versuchen, das
Studium mit dem notwendigen Erwerb für den Lebensunterhalt zu
vereinigen. Korolenko zeichnete Geographiekarten für den Druck,
bemalte botanische Atlanten und fertigte technische Zeichnungen an.
Die Arbeit wurde schlecht bezahlt, beanspruchte viel Zeit und Kraft
und hinderte ihn am Studium.
Nach drei Jahren beschloss Korolenko, das Institut zu verlassen. Mit
zehn erarbeiteten Rubeln in der Tasche fuhr er nach Moskau und trat
in die Petrowsko-Rasumowskische Landwirtschaftliche Akademie ein.
(Moskauer Landwirtschaftliche Timirjasew-Akademie).
Er träumte davon, die Akademie zu absolvieren und in der Provinz
eine bescheidene Stelle als Förster zu bekommen. Dort, in dem stillen
Waldhause, hoffte er, sich mit literarischer Arbeit beschäftigen zu
können. . .
Aber sein Leben gestaltete sich anders.
Die Petrowsko-Rasumowskische Akademie war damals eine der
besten und fortschrittlichsten Lehranstalten. Unter den Professoren
der Akademie befand sich der hervorragende russische Gelehrte K.A. Timirjasew.
Auf der Akademie näherte Korolenko sich der revolutionär denkenden
studentischen Jugend. Er besuchte die studentischen Versammlungen
und beteiligte sich an den hitzigen Wortgefechten über das
gegenwärtige und das künftige Russland.
Korolenko nahm auch aktiv teil am Protest der Studenten der Akademie
gegen die polizeiliche Aufsicht. Er wurde verhaftet, aus der Reihe
der Studenten ausgeschlossen und aus Moskau ausgewiesen. So war
er in den Augen der zaristischen Polizei „ein politisch unzuverlässiger
Mensch“ geworden. Er wurde beständig beobachtet, bald von neuem
arretiert und, ohne dass man ihm den Grund erklärt hätte, in eine
abgelegene Waldgegend des Wjatkaschen Gouvernements, in die Stadt
Glasow, verschickt. Von Glasow schickte man ihn noch weiter, in die
Neusiedlung Beriosowsk.
Diese Siedlung bestand aus einigen Höfen, die verstreut, in großen
Entfernungen voneinander, an der oberen Kama lagen, inmitten unübersehbarer
Sümpfe und Wälder. Korolenko lebte in einer „Rauchstube“,
zusammen mit der Familie des Wirtes. „Wissen Sie, was das
heißt: eine `Rauchstube‘?“ — schrieb er —‚ „das ist eine Stube ohne
Schornstein. Wenn man den Ofen anheizt, schlägt der Rauch direkt
in die Stube und erfüllt sie vom Fußboden bis zur Decke. Um atmen
zu können, wird das Zugfenster geöffnet, aber das genügt nicht. Auch
die Tür wird geöffnet, und nun jagt der eisige Wind den Rauch bis zur
Höhe des Kopfes hinaus, und der Rauch steht oben wie eine scharf
abgegrenzte Decke. Erhebt man sich zu seiner vollen Höhe, dann ist
der Kopf im Rauch... der Kopf brennt, dafür erstarren die Füße in den
dreißig, vierzig Grad Frost. Das währt etwa eine dreiviertel Stunde,
wonach die Tür geschlossen wird, und man das Vieh in die erwärmte
Stube lässt. Pferde, Kühe, Schafe folgen eines dem andern und lassen
auf dem Fußboden sehr deutliche Spuren ihrer Anwesenheit zurück.“
Korolenko verlor den Mut nicht und arbeitete sehr viel. In der Rauchstube
schrieb er des Nachts, beim schwachen Licht eines Kienspans,
seine ersten Werke. Doch selbst an diesem abgelegenen Ort schien
Korolenko den zaristischen Beamten gefährlich. In einer Januarnacht
des Jahres 1880 holten zwei Gendarmen ihn ab, und wieder begann
die nicht enden wollende Wanderschaft.
Ein halbes Jahr verbrachte der Schriftsteller in dem Etappengefängnis
der Stadt Wyschni-Wolotschok. Die Lebensbedingungen waren dort
sehr schwer. Die Gefangenen durften keine Bücher haben und kein
Schreibmaterial benutzen. Korolenko lebte in der allgemeinen Zelle, in
der ein unaufhörlicher Lärm herrschte. Dennoch vermochte er hier
eines seiner bedeutendsten Werke zu schreiben — die Skizze „Das
seltsame Fräulein“.
Die Heldin der Skizze, die junge Revolutionärin Morosowa, ist ein
Mensch von ungeheurer Willenskraft. „..zerbrechen kann man sie...
nicht aber beugen... solche beugen sich nicht“, sagt einer ihrer Kameraden
von ihr.
Aus Wyschni-Wolotschok wurde Korolenko nach Perm verschickt,
wo er unter polizeilicher Aufsicht stand, sonst aber frei leben und
arbeiten konnte. Aber nach einem Jahr weigerte sich Korolenko, der
ein überzeugter Gegner der Selbstherrschaft war, dem neuen Zaren
Alexander III. den Treueid zu leisten. Dafür wurde er von neuem verhaftet
und in das ferne Jakutenland verbannt.
Mehrere Monate vergingen, bis Korolenko im Geleit der Gendarmen
tief in Sibirien ankam. Auf den endlosen sibirischen Wegen, in den
trostlosen Etappengefängnissen schrieb er die Entwürfe zu seinen
künftigen Erzählungen, füllte die Seiten seines Reisetagebuches mit
Skizzen der Landschaft (Korolenko zeichnete gut) und mit scharf gezeichneten Charakteristiken der ihm unterwegs begegnenden Menschen.
Es war die strengste Zeit des rauhen sibirischen Winters, als er endlich
im Dorf Amga anlangte. Hier musste er drei Jahre zubringen.
Während der Wintermonate nähte er Stiefel, im Sommer arbeitete
er in der Landwirtschaft. „Ich habe pflügen, eggen und sogar mähen
gelernt“, schrieb er seinem Bruder.
In Amga schrieb Korolenko einige Erzählungen und künstlerische Skizzen.
Der größere Teil davon ist Sibirien gewidmet und den Menschen,
die er auf seiner unfreiwilligen Wanderschaft traf. Im Jakutenland verfasste
er auch seine berühmte Erzählung „Makars Traum“. Im Druck
erschienen diese Erzählungen jedoch erst viel später.
Im Jahre 1884 war Korolenkos Verbannung zu Ende. Er verließ Amga
und ließ sich auf lange Jahre in Nishni-Nowgorod an der Wolga nieder.
Im März 1885 erschien in der Zeitschrift „Der russische Gedanke“
die Erzählung „Makars Traum“. Durch ihren Inhalt erinnert diese
Erzählung an ein Märchen, aber in ihr ist das echte Leben der Bauern
aus Amga widergespiegelt.
Die Erzählung erregte die Aufmerksamkeit der besten Leute Russlands.
Korolenko wurde sofort als einer der talentvollsten russischen
Schriftsteller anerkannt.
Gleich nach „Makars Traum“ erschienen eine Reihe Skizzen und Erzählungen
aus dem sibirischen Leben. Der Schriftsteller beendete die
schon im Jakutenlande begonnene Erzählung „In schlechter Gesellschaft“.
Die Helden der Erzählung sind obdachlose Landstreicher, Menschen,
die durch die in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung herrschenden
Verhältnisse auf die tiefste Stufe der Armut und Rechtlosigkeit
gesunken sind. In der Welt der Reichen fanden ihre Kräfte und
Fähigkeiten keine Verwendung, und sie sind gezwungen, zu stehlen,
um nicht Hungers zu sterben. Aber die Menschen aus der „Schlechten
Gesellschaft“ haben die echten menschlichen Gefühle der Liebe,
der Freundschaft und des Mutes nicht verloren, Gefühle, die bei den
Reichen und Vornehmen nicht häufig zu finden sind. Diese Überzeugung
gewinnt der Sohn des Richters, Wasja, der unter den Mitgliedern
der „Schlechten Gesellschaft“ Freunde findet und ihnen seine warme
Zuneigung schenkt.
Dann erschienen die poetische Waldsage „Der Wald rauscht“, die Novelle
„Der blinde Musikant“, die Erzählungen „Frost“ und „Der letzte
Strahl“, in denen der Verfasser seine sibirischen Eindrücke wiedergibt,
und noch viele andere Dichtungen.
Korolenkos Erzählungen, Skizzen und Novellen zeichnen ein umfassendes
Bild des Lebens im damaligen Russland. Er erzählt von dem,
was er selbst gesehen, gehört und kennengelernt hat, und schildert
viele Ereignisse aus seinem eigenen Leben.
Korolenko kannte das Leben des russischen Volkes gut und wollte es
immer noch besser kennenlernen. In jedem Sommer brach er auf, um
auf den Straßen und Landwegen Russlands zu wandern. Er besuchte
die Heimarbeiter im Dorf Pawlow, ging an den See Swetlogiar,
durchstöberte die einsamen Dörfer in den Wäldern der Wolgagegend,
machte mehrere Male die Wolga- und die Okafahrt und fuhr in einem
Boot die Flüsse Wetluga und Kershenza hinunter. . . Gut kannte er die Ukraine und die Krim.
Wenn Korolenko von seinen Sommerreisen heimkehrte, waren seine
Notizbücher und Reisealben mit Skizzen und Aufzeichnungen der unterwegs
gehörten Gespräche gefüllt. Alles das verarbeitete er später
in seinen Werken.
A.M. Gorki, der Korolenko hochschätzte‚ schreibt von ihm: „Mir
persönlich hat dieser große und ausgezeichnete Schriftsteller vieles
von dem russischen Volk gesagt, was mir vor ihm niemand zu sagen
vermochte.“
Korolenko kannte nicht nur das Leben in seinem Vaterland, er war
auch im Auslande und sah das Leben anderer Völker. Eine bedeutende
Spur in seinem dichterischen Schaffen hinterließ eine Reise nach
Amerika.
Als der Schriftsteller das zaristische Russland verließ, meinte er, er
werde jenseits des Ozeans ein freies und glückliches Land sehen. Aber
er musste eine bittere Enttäuschung erleben. Er begegnete in den
Straßen der amerikanischen Städte Haufen von Arbeitslosen. Er sah,
wie die Polizei erschöpfte Menschen mit Knütteln schlug, weil sie sich
erkühnt hatten, Arbeit zu verlangen. . .
Mit Unwillen spricht er von der Verfolgung der Neger, von der Ausrottung
der Indianer in Amerika.
Seine auf der Amerikareise gewonnenen Eindrücke legte er später in
seiner Novelle „Ohne Sprache “ nieder.
Der Held der Novelle, der treuherzige, ehrliche und arbeitsame
Bauer Matwej Losinski aus Russland, fährt über den Ozean, um dort
sein Glück zu suchen. Aber Losinski kommt in dieser fremden, ihm
feindlichen Welt fast um, in der die zur Verzweiflung getriebenen Arbeitslosen
nicht selten ihrem Leben ein Ende machen.
„Schlecht geht es dem russischen Menschen in der Fremde, am
schlechtesten aber wohl in Amerika“ — zu dieser Schlussfolgerung
kommt der Verfasser.
„Zu Beginn unserer Reise“ —- schreibt er auf dem Rückwege nach
Russland — „stellten wir alles das fest, was bei den anderen Völkern
besser war. Aber jetzt suchen wir das herauszufinden, was bei uns
besser ist, und vieles ist bei uns besser.“
Das, was ihm in der Heimat am teuersten war und am nächsten stand,
das war der russische werktätige, freiheitliebende und tapfere Mensch.
Im Kampf um das Glück und die Rechte der einfachen Menschen sah
Korolenko seine soziale Pflicht.
Er war nicht nur als Schriftsteller bekannt, sondern auch durch seine
Tätigkeit im öffentlichen Leben. In Aufsätzen und Skizzen schilderte er
mit Empörung die Missbräuche, deren sich die zaristischen Beamten
und die Polizei schuldig machten, und deckte die dunklen Machenschaften
der Gutsbesitzer auf.
In den Skizzen des Buches „Im Hungerjahr“ zeichnet er das tragische
Bild der Hungersnot im Gouvernement Nishni-Nowgorod im Jahr
1891/92. Er klagt darin die zaristische Regierung der verbrecherischen
Gleichgültigkeit gegenüber dem Elend des Volkes an.
Mit besonderer Schärfe trat er in der Presse gegen die Menschen auf,
die Zwietracht zwischen den in Russland wohnenden Völkern zu säen
versuchten.
Korolenko verteidigte vor Gericht die Wotjaken (Udmurten) aus der
Siedlung Stary Multan, die fälschlich angeklagt worden waren, Menschenopfer
dargebracht zu haben. . .
„Menschen kommen unschuldig um, eine zum Himmel schreiende Sache
vollzieht sich, ich kann an nichts anderes denken“, schrieb er seinen
Freunden, während die Gerichtsverhandlungen im Gange waren.
Nur dank seines hartnäckigen Eintretens in dieser Angelegenheit
wurden die schuldlosen Udmurten freigesprochen. .
In den Skizzen „Haus Nr. 13“ und „Der Fall Bejlis“ erzählt er den
Lesern mit Entrüstung von den Judenverfolgungen in der Ukraine, die
im geheimen von der Polizei vorbereitet waren.
Er trat mit Entschiedenheit gegen die Selbstherrschaft und die polizeiliche
Willkür auf. Seine Werke fanden im ganzen Lande einen lebhaften
Widerhall. Korolenko wurde das „Gewissen Russlands“ genannt.
Gorki sagt, dass die öffentliche Tätigkeit Korolenkos „das schlummernde
Rechtsbewusstsein einer ungeheuren Anzahl russischer
Menschen geweckt habe“.
Die umfangreichste literarische Arbeit von Korolenko ist „Die
Geschichte meines Zeitgenossen“. Es ist eine Erzählung und zugleich
eine Chronik, in der das Leben des Verfassers und das russische
gesellschaftliche Leben der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
geschildert werden. „Ich habe“ — sagt der Verfasser— „nach der
größtmöglichen historischen Wahrheit gestrebt, wobei ich ihr oft die
schönen oder starken Farben der künstlerischen Wahrheit zum Opfer
gebracht habe.“
Die in diesem Band enthaltene Erzählung „Die gekauften Knaben“ ist
ein Bruchstück aus dem ersten Band der „Geschichte meines Zeitgenossen“.
Die darin erzählten Ereignisse beziehen sich auf die Kinderjahre
des Verfassers. Er erinnert sich seiner ersten Bekanntschaft mit
der Leibeigenschaft.
An der „Geschichte meines Zeitgenossen“ schrieb Korolenko ungefähr
siebzehn Jahre. Damals lebte er schon in Poltawa, wo er sich im
Jahre 1900 niedergelassen hatte. Aber es gelang ihm nicht, diese große
und außerordentlich interessante Arbeit zu vollenden. Im Jahre 1921,
am fünfundzwanzigsten Dezember, starb Wladimir Galaktionowitch
an einer schweren Herzkrankheit.
Korolenko war kein Marxist. Er war sich nicht klar darüber, dass die
Hauptkraft, die imstande sein würde, die Selbstherrschaft in Russland
zu stürzen und alle Werktätigen zu befreien, die sich zum Kampf um
ihre Rechte erhebende Arbeiterklasse war.
Die Helden in Korolenkos Werken sind tapfere, entschlossene, kühne
Menschen. Demut und sklavische Unterwerfung ist ihnen fremd. Jeder
von ihnen legt auf seine Art Verwahrung gegen die ungerechte Gesellschaftsordnung
des zaristischen Russland ein.
Korolenko glaubte fest an die schöpferischen Kräfte des Volkes und an
die Zukunft des Vaterlandes.
„Das russische Volk ist ein lebendiges und zu Taten fähiges Volk“, sagt er.
Seine Werke waren ein flammender Aufruf an die Zeitgenossen,
die Interessen der einfachen Menschen zu schützen, sie riefen zum
Kampfe auf gegen all das, was die gesellschaftliche Entwicklung Russlands
hemmte, sie riefen zum Kampfe gegen die zaristische Selbstherrschaft.
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