Reyer weiß, was Kinder träumen und wie sie träumen – schwungvoll und kunterbunt, mit Unsicherheiten, Ängsten und waghalsigen Wechseln in andere Welten. Wohltuend und weise geschildert: die Liebe von Kindern zu den Großeltern.

Sophie Reyer zeigt in ihrer „Dichtung“, die sich aus der Verdichtung unterschiedlichster Ebenen und Handlungsstränge entwickelt, Möglichkeiten und Perspektiven auf – wenn auch nur für einen Moment.

„Chris!“ Da ist eine Stimme. Leise, behutsam. Sie erinnert an den Wind, der durch die Blätter eines Baumes fährt. „Chris!“ Ich kenne diesen Klang, aber ich habe kein Gesicht dazu. Wo bin ich? Ist es morgen? Ist es Nacht? Welche Uhrzeit haben wir? Es muss spät sein, oder sehr früh. Auf jeden Fall umgibt mich Dunkelheit. Warum macht keiner das Licht an? „Chris!“ Ich möchte antworten, möchte sagen, dass ich da bin, aber mein Hals fühlt sich trocken an, und meine Zunge kommt mir groß und fremd vor. Es riecht nach Moos und Asphalt. Ich gebe mir einen Ruck. Endlich gehorchen die Lider. Ein Gesicht hat sich über mich gebeugt. Es wiederholt noch einmal meinen Namen. "Chris!" Ich möchte nicken, aber mein Kopf fühlt sich an wie eingemauert. Was ist geschehen?