An der Grenze des Rechts
Inklusion/Exklusion im Zeichen der Sicherheit
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Die Grenze des Rechts ist zum Gegenstand des Streits
avanciert. Ob es nun um die Anwendung von Folter oder
den informationellen Eingriff in geschützte Lebensbereiche
geht oder etwa darum, Personen ohne Schuldnachweis
zu internieren – derartige Praktiken werden von
Auseinandersetzungen darüber begleitet, was gerade noch
oder bereits nicht mehr rechtlich behandelbar ist. Insbesondere
die Suspension von Grundrechten im Namen
der Sicherheit hat den Streit um die Grenze an den Rand
der Paradoxie manövriert. Denn ist das überhaupt noch
Recht, was gerade noch rechtlich behandelbar sein soll?
Oder wird das Recht im Zuge der rechtsförmigen Kodifizierung
seiner Aufhebung in Unrecht verwandelt?
Zur rechtstheoretischen Ausdeutung dieses Problemhorizonts
wurde in der Vergangenheit vor allem die Figur
der Ausnahme bemüht; nicht zuletzt Giorgio Agamben
und Carl Schmitt standen Pate. An der Grenze des Rechts
schließt an diese Debatte an, entwickelt jedoch in Abgrenzung
eine genuin soziologische Theorie der Ausnahme.
Um die Ausnahme als ein soziales Faktum beschreibbar
zu machen, wird das Recht nicht in der Ausnahme fundiert,
sondern die Ausnahme als kontingenter Effekt von
Grenzkonflikten begriffen.
Dabei werden die Problematisierungen der Sicherheit
als Einsatz in diesen Konflikten erfasst: Sicherheitsdiskurse
organisieren die Einschreibung dessen ins Recht,
was es im Normalbetrieb ausschließt – sei es die Instituierung
exterritorialer Lagerregime oder die Autorisierung
'präemptiver' Gewaltmaßnahmen.
Auf diese Weise werden die in diese Dynamiken verwobenen
Prozesse der sozialen Inklusion/Exklusion darstellbar.
Die Inversion der Grenzen des Rechts korrespondiert
mit der Transformation von Personen in Unpersonen.
Die entlang dieser Eckpfeiler entwickelte Soziologie der
Ausnahme basiert auf einer dekonstruktiven Lektüre von
Niklas Luhmanns Theorie des Rechts. Wie alle Funktionssysteme
ist auch das Recht beständig damit beschäftigt,
seine Grenze zwischen System und Umwelt zu ziehen.
Es formiert sich durch die Ausgrenzung dessen, was es
nicht ist: Sein Code verdankt sich etwa dem Ausschluss
'dritter Werte', seine Eigenzeit entsteht durch den Ausschluss
alternativer Zeitbezüge. Unter Rückgriff auf das
Denken Jacques Derridas lässt sich das Recht als äußerst
prekäres Gebilde verstehen, das von seinem konstitutiv
Ausgeschlossenen beständig heimgesucht wird. Der Ausnahmezustand
erscheint somit als liminale Turbulenz:
Er tritt ein, wenn das konstitutive Außen des Rechts ins
Innere des Systems eingeschrieben wird.
Die Arbeit verfährt in drei Schritten. Kapitel I widmet
sich der Grenzproduktion des Rechts. Vier zentrale Grenzbildungsmechanismen
werden dabei auf die Möglichkeit
ihrer Suspension hin untersucht. Beschrieben werden die
Zurückweisung des Rechtscodes, die Konterkarierung der
rechtlichen Zeitbindung, die Moralisierung der Selbstbeschreibung
sowie die Ausbleichung der rechtlichen Argumentation
durch unbestimmte Begriffe.
Kapitel II vollzieht eine Engführung der systemischen
Grenzbildung auf die Unterscheidung zwischen relevanten
und irrelevanten Personen. Prozesse der Systemdifferenzierung
werden auf diese Weise begrifflich mit Prozessen
der Inklusion/Exklusion verknüpft. Dabei stehen die
Verwerfungen der rechtlichen Allinklusionssemantiken
im Mittelpunkt – etwa die animalisierte Bestie oder der
unzivilisierte Barbar.
In Kapitel III wird untersucht, wie Sicherheitspolitiken
das Recht in seinen Grenzen ruinieren und dadurch die
Möglichkeit negieren, als Rechtsperson aufzutreten.
So wird erstens dargelegt, wie diskursive Prozesse der
Securitization den Rechtscode zurückweisen. In ihrer
erhitzten Rhetorizität und im Verbund mit Affekttechnologien
der Angst erwirken sie Ausnahmen. Zweitens
wird im Umgang mit Sicherheitsrisiken eine der Eigenzeit
des Rechts widerstreitende Temporalität artikuliert.
Angesichts katastrophaler Risiken soll man schon in der
Gegenwart über Zukünftiges entscheiden, die Ausnahme
wird zur 'Zeitnahme'. Drittens neigen Sicherheitsgesetze
dazu, Anlass, Zweck und Ausmaß von Eingriffen nicht
klar zu bestimmen. Der Einsatz unbestimmter Begriffe
lockert die Bindungen rechtlichen Entscheidens und gibt
einem dezisionistischen Exzess statt. Viertens schließlich
operieren Sicherheitsdiskurse im Verbund mit Formen des
moralischen Achtungsentzugs. Populäre Semantiken wie
die des Schurken oder des in seinem Wahnsinn monströsen
Attentäters finden ihre Entsprechung in liberalen wie
illiberalen Rechtsdogmatiken.weiterlesen
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