Der verstorbe Zeitgenosse Rühmkorf, von dem Enzensberger sagte, er schreibe an dem weiter, „was einmal Nationalliteratur hieß“, hatte tiefes Mißtrauen gegenüber lyrischen Ergüssen. Er wunderte sich über „das anhaltende und anscheinend durch keine Entmutigung zu bremsendee Bedürfnis nach der Versifikation menschlicher Leiden und Leidenschaften“. Sein Kollege Törne reimte weniger höflich:
„Wenn ich manche eurer neuen Gedichte lese / staune ich ehrlich, wie euch euer Klein / Kram zu seitenlanger Poesie gerinnt ...“.
Und andererSeitz gibt es Seitz, bei der Frühstücksei und Wolkenbilder, Braunkohletagebau und Arbeitsalltag eben nicht zu lyrischer Sauce verrührt werden. Ihr ist es kein Widerspruch, den privaten Empfindungen nachzuspüren und gleichzeitig politisches Subjekt zu sein. Sie hat keine Angst vor emotionalen Blessuren und pflegt in ihren Bildern und Geschichten eine Unmittelbarkeit, die dann auf poetischen Umwegen und bisweilen mit applaudierenden Anlehnungen und Ausleihen hellwache und smart-formalistische Literatur liefert. Russisches Brot aus lässiger Sebstironie; Ernst und Wehmut, ohne bleierne Bedeutung. Oder wie Rühmkorf einmal linke, angewandte Lyrik beschrieb: „Man kuckt in die Zukunft - jedenfalls ich! - / wie in eine Geschützmündung / Vielleicht ist es einfach nur dies: / Mein Herz zieht allmählich die Geier an. / Wer links kein Land mehr sieht, / für den rast die Erde bald / wie ein abgeriebener Pneu auf die ewigen Müllgründe zu.“weiterlesen