Goethe besaß vermutlich weder Hamster noch Meerschweinchen. Vielleicht wusste er deshalb nicht, was Haustierbesitzer rasch in Erfahrung bringen: Nagen muss der Nager, weil die markanten Schneidezähne dieses Geschlechtes sonst ins Uferlose wüchsen und das Tier verhungern müsste. So aber blieb dem Dichter der Nagetiere „fast krampfhaft leidenschaftliches, absichtslos zerstörendes Knuspern“ eine Quelle der Beunruhigung. Zu ihr trägt auch das „unstet schwankende“ Erscheinungsbild dieses vielgestaltigen Geschlechtes bei, „das einer gewissen Willkür der Bildung bis zur Unform hinzugeben in Lockerheit gelassen ist“. – Solche im Vergleich zu morphologischen Kern-Aussagen Goethes weniger bekannten Formulierungen sind Anlass einer Re-Lektüre seiner „Hefte zur Morphologie“ (1817–1824) als einer scharfsinnigen und überraschend unberuhigten, gleichsam nachhaltigen Theorie verzeitlichter (Lebens)Form, deren Bedeutung für spätere Überlegungen zu Form- und Lebensfragen zu erweisen ist.weiterlesen