Bipolare Störungen
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Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Gehören solche Gefühle nicht zur normalen Existenz des Menschen? Eine bipolare Störung wird dann angenommen, wenn ein Mensch die beiden Pole Depression und Manie durchlebt und sich ihnen bis zur Gefährdung seines gesamten psychischen Systems ausgeliefert fühlt. Dabei tritt in der Depression ein weitgehender Kommunikationsabbruch auf, eine soziale Entkoppelung – oft begleitet von Selbstentwertung und Gefühlen der Leere und Sinnlosigkeit. In der Manie, die Gerhard Dieter Ruf als antidepressive Abwehr darstellt, wird die negative Selbstbeurteilung mit Größenideen überkompensiert, familiäre oder gesellschaftliche Normen werden außer Kraft gesetzt und ein stark enthemmtes Verhalten an den Tag gelegt.
Gerhard Dieter Ruf zeichnet nach, wie sich manisch-depressive Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen in Endlosschleifen zu wiederholen scheinen, und entwickelt Lösungsansätze, um die Identifikation und eine Integration von Hochs und Tiefs in den verschiedenen Systemen zu erreichen. Da ist zunächst der Betroffene selbst, der sich aus Furcht vor der nächsten depressiven (oder manischen) Episode übermäßig selbst beobachtet und gerade dadurch im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung in die nächste Depression oder Manie gleitet. Es gibt die Angehörigen, die zum Beispiel auf unkontrolliertes Verhalten des Betroffenen während einer manischen Phase mit übermäßiger Kontrolle oder Zwangsmaßnahmen reagieren und so die schädlichen Verhaltensweisen unbewusst noch verstärken. Schließlich setzt auch das medizinisch-therapeutische System mit der Einordnung der bipolaren Störung als Krankheit einen Interventionsprozess aus medizinischen und sozialen Maßnahmen in Gang, die erneut einen Prozess der Verstärkung statt der Linderung auslösen können: Versprechen doch Medikamente, Krankschreibung oder die Aussicht auf Verrentung den Patienten und Angehörigen Auswege, die ohne erneuten und noch stärkeren depressiven Rückzug gar nicht erreichbar sind.
Bipolare Störungen werden in den letzten Jahren zunehmend häufiger diagnostiziert und in der klassischen Psychiatrie auf eine zum Teil erblich bedingte Störung des Gehirnstoffwechsels zurückgeführt. Die systemische Theorie und Therapie hingegen betrachtet den Menschen mit seinen Gefühlen und Denkprozessen in seinem sozialen Kontext und beschreibt die komplexen Wechselwirkungen im biologischen, psychischen und sozialen System, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Störungen beitragen. Der Autor legt den Schwerpunkt auf die ambulante Behandlung. Bei den Fallbeispielen sind die akuten, meist in der Klinik behandelten Symptome, bereits abgeklungen. Die vorgestellten Methoden können jedoch auch im stationären Kontext Anwendung finden. Das Buch richtet sich sowohl an systemische Therapeuten und Ärzte als auch an ärztliches Fachpersonal in interprofessionellen Settings.weiterlesen
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