Periodikum des Ernst-Bloch-Archivs der Stadt Ludwigshafen am Rhein
Produktform: Buch
„Es gibt nur Karl May und Hegel, alles dazwischen ist eine unreine Mischung.“
Dieses Zitat hat das Ernst-Bloch-Zentrum im Karl May-Jahr 2012 durch eine Reihe von Veranstaltungen begleitet. Das darin angespielte Thema zwischen philosophisch-politischem Anspruch und der populären Zugänglichkeit des ‚Volksschriftstellers‘ ist auch für Blochs kunsttheoretische Überlegungen zur Kunst und Kolportage dauerhaft inspirierend geblieben.
Wie gebrochen sich Ernst Blochs Verhältnis zum Populären an anderen Stellen ausnimmt, ist der Ausgangspunkt von Dietmar Daths Analysen zu Pop und politischer Utopie, die den ersten Teil des Bloch-Almanachs 2012 ‚Zur Kunst des Populären‘ eröffnen. Sein Beitrag setzt sich in einer ästhetisch überformten Weise – im allerbesten Sinne – kritisch mit den ästhetischen Positionen Blochs auseinander. Grundlage des Textes ist ein Vortrag, den Dath im Rahmen eines Konzertes von Tocotronic 2010 im Ernst-Bloch-Zentrum hielt. Auf dieses Gesprächskonzert wiederum reagiert der nächste Beitrag von Christina Gehrlein, die Daths Analysen aufgreift und in Form einer intensiven Textlektüre von Tocotronic-Songs aus dem Blickwinkel der Blochschen Philosophie weiterentwickelt. Blochs Musiktheorie wird zwischen Frühromantik und Bricolage gestellt; das Trompetensignal im Fidelio wird mit der Pop-Fanfare aus Let there be Rock kurzgeschlossen.
Eine echte Jugendbewegung wird im nächsten Beitrag zur Loheland-Schule von Eckhardt Köhn beschrieben. Er arbeitet Ernst Blochs Äußerungen zur populären Bewegung des Ausdruckstanzes auf, ordnet insbesondere die Loheland-Schule historisch ein und analysiert damit ein weitgehend vergessenes, kulturhistorisch aber bedeutsames Kapitel, besonders im Hinblick auf die Geschichte der Frauenbewegung.
Ein weiterer Volksschriftsteller, der Ernst Bloch sehr am Herzen lag, war Johann Peter Hebel. Geradezu kanonisch ist die Blochsche Einschätzung geworden, Unverhofftes Wiedersehen sei die „schönste Geschichte der Welt“. Johan Siebers führt in seinem Beitrag aus, dass hier das Populäre – nach Bloch – eine Ordnung der Zeitlichkeit etabliere, die für Hebel wie auch für Bloch als Zeitlichkeit des Noch-Nicht einen Gestaltungsauftrag birgt.
Dagegen fokussiert Micaela Latini nicht die Paradoxien der Zeit, sondern die der räumlichen Gestaltung von Raffaels Sixtinischer Madonna, ein Kunstwerk, das von Ernst Bloch selbst im Kontext der „Volkskunst“ diskutiert wird. Dieser Zusammenhang drängt sich im Jahr des 500. Geburtstages des Gemäldes regelrecht auf, selbst wenn man die zu Ikonen der Populärkultur gewordenen Putten am unteren Bildrand außen vor lässt. Latini analysiert gerade die (auch für dieses Bilddetail) tragende Rolle der paradoxalen Raumstruktur und diskutiert die frühen Äußerungen von Ernst Bloch zu diesem Thema.
Ebenfalls ein Jubiläum – und zwar der 125. Geburtstag Karl Mays – war der Schreibanlass für den kurzen Text Charley, den Ernst Bloch im Jahr 1967 verfasst hat. Wir drucken ein Faksimile der Handschrift, ihre Transkription und das Faksimile eines Typoskripts, das sich im Ernst-Bloch-Archiv befindet. Der „Volksschriftsteller“ Karl May zeichne sich dadurch aus, dass er auf der Seite der Unterdrückten stehe und seine Schurken ihr verdientes Ende finden lasse.
Im Ernst-Bloch-Zentrum fand im November 2010 die internationale Fachtagung Philosophien der Zeitlichkeit statt. Veranstaltet wurde die Tagung in Kooperation mit dem Berliner Centre Marc Bloch, Deutsch-Französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften.
Der erste Teil der Dokumentation wurde bereits im Bloch-Almanach 30/2011 veröffentlicht. Nun folgt der zweite Teil der philosophiehistorischen Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Zeitphilosophie, die für das Werk Ernst Blochs von entscheidender Bedeutung sind.
Enno Rudolph analysiert die für Benjamin zentralen Begriffe des Geschichtszeichens, Moral/Recht und des Messianismus. Insbesondere die Analysen des letzteren sind im marxistischen Kontext einer säkularisierten Version einer Eschatologie auch für die Philosophie Ernst Blochs zu diskutieren.
Eine weitere ideengeschichtlich produktive Einordnung nimmt Ralf Becker vor, der Blochs Zeitkonzeption mit der von Husserl und Heidegger vergleicht: Wollten diese das Erleben bzw. das Verstehen der Zeit beschreiben, komme es Bloch auf deren Gestaltung als Geschichte an. Eine interessanter Zusammenhang ergibt sich hierbei aus dem von Becker eingeführten Bild der Musikalität des Zeiterlebens, eine Metapher, die auch Johan Siebers in seinen Analysen zu Hebel aufgenommen hatte und die auch besonders im Essay von Christina Gehrlein eine wichtige Rolle spielt.
Ein posthumes fiktives Gespräch von Zeitgenossen – Eugen Rosenstock-Huessy und Ernst Bloch – wird von Welf Schröter gestaltet und kommentiert. Er weist in seinem Beitrag erstaunliche biographische Parallelen aus und zeigt aber vor allem interessante thematische und analytische Ähnlichkeiten auf, die Zeit und Geschichte – im oben schon erwähnten Sinne – als zu gestaltende Matrix begreifen.
Die Anti-Utopie schlechthin, der Tod, ist dagegen das Thema des abschließenden Beitrags von Norbert Walz, der die traditionellen Positionen der Philosophie zum Thema des Todes analysiert und in produktiver Weise kritisch hinterfragt. Er beleuchtet das Nicht-Sinnhafte des Todes und nutzt den Blochschen Begriff der Allianztechnik, um Fragestellungen im Jenseits der Sinnleere zu entwickeln.
Der Bloch-Almanach 31/2012 schließt mit dem 15. Teil der Bibliographie Karola Blochs, die Welf Schröter zusammengestellt hat; und mit den Mitteilungen aus dem Ernst-Bloch-Archiv, die Texte von Ernst und Karola Bloch aus dem Bücherbestand des Privatnachlasses verzeichnen und damit diejenigen Bände benennen, in denen sich möglicherweise Selbstkommentierungen von Ernst und Karola Bloch befinden.weiterlesen