Folge 15: FLECKERLTEPPICH
Nach Jahren der Gestaltung populärer Sendungen für breite Schichten hatte ich Lust, mal was ganz Anderes, albern Ironisches zu machen: so eine Art Studentenulk voll Unernst, Kalauer und blühendem Blödsinn. Von politischen Witzen hatten die Leute nach Jahrzehnten genug, man erzählte rundum lieber ‘schwarzen Humor’ und Unlogik. Mir gefiel das. Ich dachte mir dazu eine Form aus, in der eine oder zwei Geschichten in kleinen Portionen über die ganze Sendung verteilt. immer an spannenden Stellen mit ‘Fortsetzung folgt’ unterbrochen wurden. Und die Schlußpointe war oft nur ein Klacks, ein Kalauer als bewußte Enttäuschung. So sie nicht erst in der nächsten oder einer viel späteren Sendung drankam (‘SchoHo’? Erinnern Sie sich?)
Im Dreiergespräch präsentierte Annette von Aretin, als das ‘Ännchen von Kalau’ die Gaudi, ich verteidigte sie, und Friedrich Sauer litt wütend als ‘saurer Kollege’ und Normalhörer an dem Unfug. Dieses Verfahren und diese Gaudi-Inhalte erfordern ein spezielles Humorverständnis. Das war und ist selten. Das Gros der Hörer lief Proteststürme gegen den ‘Fle-Te’, die Presse fetzte gegen uns, und der Münchner Stadtrat und der Rundfunkrat verdammten uns in öffentlichen Sitzungen. Und hielten, wie viele Empörte, dem ‘Fle-Te’ die ‘Brummlg’schichten’ als Muster vor: ”Sowas wollen wir hören!”. Wußte denn wirklich niemand, daß Beides von mir stammte? Daß ich sozusagen ‚in vorauseilendem Gehorsam‘ mir an allen beiden Typen ein Beispiel genommen hatte. Daß ich populär und ebenso intellektuell erfreuen wollte?
Die Brummlg’schicht “Fleckerlteppich” entstand erst, nachdem die Gegner gesiegt hatten. Intendant Rudolf von Scholz hatte nämlich den mit ihm befreundeten Schriftsteller Rudolf Schneider-Schelde als Programmdirektor engagiert. So originell und nett der sein konnte, auf diesem Posten verfiel er in Cäsarenwahn. Redete überall per Erlaß auch erfahrenen Programmachern nach undurchschaubarem Gutdünken mit Geboten oder Verboten drein. Die Gegängelten schüttelten nur stumm die Köpfe, weil sie den allseits verehrten Intendanten nicht durch Protest kränken wollten. Ausserdem ahnten sie aus Erfahrung: der Neue hält sich nicht lang.
So war’s auch. Neben viel anderem Unsinn redete er mir in die Brummlmusik, Folge 12 drein, und verbot den Fle-Te per Hausnotiz: ” Für sowas hab ich künftig kein Geld mehr” – als ob es sein Geld wäre. Als er sich bald darauf kritisch-polemisch gegen seinen Freund Scholz wendete, flog er fristlos.Weg war er, und ich produzierte ihm zum Abschied voll Vergnügen Valentine Volkmers Entwurf , die Konfrontation Fle-Te und Brumml.
VALENTINE VOLKMER, Schauspielerin, verfolgte amüsiert das Duell ‚Brumml contra Flete‘ in den Zeitungen und der Öffentlichkeit und dachte sich eine Glosse dazu aus. Arbeitete sie, assistiert von ihrem Onkel, einem versierten Journalisten, zur Story aus, und schickte sie mir per Post. Ich bekam damals oft von mit unbekannten Hörern Brumml-Vorschläge., nur waren die meist besser gemeint als gemacht, denn Stücke schreiben ist schwierig. Dies aber las ich mit wachsendem Vergnügen. Es war so pointiert und ironisch, daß die Dialoge auch meinem kritischen Brumml-Quartett gefallen würden. Ich glättete und ergänzte vergnügt noch einiges daran zur Endfassung und genoß dabei abermals die Arbeit eines Profis mit Theatererfahrung.
Musikalisch umrahmen mußte natürlich der ‚Hunde-Schlager‘, der am Ende immer wieder von vorn anfängt, wie man auf der Kassette hören kann. Den hatte mein Bruder Rolf im Flete in allerlei Gaudi-Variationen verwurstet, Als Lied für Kinderchor, Operettenduett, Streichquartett, Jazz für Big band, und beim Fleteverbot zum Schluß sogar sogar als Richard Wagner’schen Trauermarsch. Den mußten mir die Joseinders mit neuen Liedertexten singen. Gereimt von einem Großmeister des Unernsts, dem alten Rundfunk-Profi mit dem Pseudonym Fagerna. Mein Darsteller waren zufrieden, denn das Stück spielte sich wie Butter. Da gabs keine langen Debatten über Formulierungen.
Als ich Valentine Volkmer ins Funkhaus einlud, erschien eine schüchterne, hübsche Blondine, die seit Kriegsende viel Pech hatte. Ihr Ehemann war in Gefangenschaft, sie fand an den wenigen Theatern kein Engagement und mußte doch, seit es die D-Mark gab, sich ihr Leben verdienen. Da war sie glücklich, daß ich ihr Skript honorieren konnte. Sie blieb dem Funk in den nächsten Jahren mit Vorschlägen verbunden. Zum beiderseitigen Vorteil. Ich realisierte ihren nächsten Brummlentwurf ‚Kommt ein Inspektor‘ und nahm zwei Hörspiele von ihr auf. Als ihr Ehemann aus der Gefangenschaft kam, riß der Kontakt ab. Ich hab später nichts mehr von ihr gehört und leider auch keine neuen Vorschläge mehr bekommen.
Übrigens - schon nach einem knappen Jahr meinte die Direktion, ich solle den Fle-Te wieder aufnehmen. Ich tat’s, aber leider - wie man so sagt - ‚der Zucker war ab‘. Er war irreparabel geschädigt, denn er hatte Aktualität und Biß verloren. Man kann eben eine unterbrochene Reihe nicht mehr lebfrisch machen. Gar, wenn sie nur noch gelegentlich ins Programm kommt.
Folge 16: DAS WELLENFIEBER
Im Funk und bei seinen verwirrten Hörern war ein Wellenfieber ausgebrochen, eine Art Panik. – Wie sich das äußerte? Nun - Manche Rundfunmkwellen haben nur kurze, und andere große Reichweiten. Daß zum Beispiel München jahrzehntelang auf Mittelwelle 405 Meter in ganz Europa, bis Nordafrika zu hören war, ärgerte die Siegermächte. Sie nahmen uns in Kopenhagen auf einer Wellenkonferenz mit Neutralen und Unbeteiligten einfach die guten Frequenzen weg. Unserem zerbombten Land - dem Radio d a s Informations- und Unterhaltungsmedium war, weil die meisten Theater und Kinos noch immer in Trümmern lagen und die Zeitungen infolge Papiermangels dünn waren. Nun auch noch ein kratziger und störanfälliger Radioempfang? – das ärgerte uns. Der gutmütige Komponist und Schriftsteller Ludwig Kusche, ein Urgestein unter Münchens Rundfunkkünstlern, verfaßte vor Zorn sogar eine groteske Brummlg’schicht.
Man wußte damals noch nicht, daß unsere Ingenieure schon an einer Wunderwelle arbeiteten, die uns aus dem Schlamassel helfen konnte: dem Ultra-Kurz-Wellen-Bereich, der kaum störungsanfällig und ungeahnt leistungsfähig war. Hatten Mittelwellen trotz riesiger stromfressender Sendeturmanlagen nie leise Töne eines Orchesters oder Geräusche in einem Hörspiel klar übertragen können. UKW Sender konnten es, wie heute Jeder weiß. Ihr einziger Nachteil war, daß sie nur in Sichtweite senden konnten, weil die UK-Wellen sich, wie das Licht, stangengrad verbreiten und nicht über Berge kriechen können. Dem begegneten die Techniker, indem sie mehrere kleine Sendeanlagen auf Berggipfeln für das selbe Programm aufstellten. UKW Sender paßten in zimmergroße Räume und waren viel billiger als Großanlagen.
Der Welt erster UKW Rundfunksender und nahm in München Ende Februar 49 den Betrieb auf. Damit begann eine neue Radio-Epoche. Heute sendet alle Welt auf UKW. Die Radioindustrie erwachte jäh, und baute neue Empfänger, die nun ‚Reciever‘ hießen. UKW ermöglichte Neues, wie Stereo, Spartenprogramme, Autoradios, etc. und förderte das Fernsehen. Lauter Fortschritte, nur weil man uns die Mittelwelle nahm. Es hat eben alles auch sein Gutes.
LUDWIG KUSCHE - Über die ersten Tage dieser technischen Revolution schrieb der Komponist Ludwig Kusche grimmig eine Brummlg’schicht. Unter Pseudonym, weil sowas nichts mit seinem Musiker-Beruf zu tun hatte. Er kannte die Brumml-Darsteller und den Stil aus leidvoller Erfahrung, er saß ja bei 43 Vorstellungen des Brumml-Theaterstücks ‘Hypnose‘ im Volkstheater am Klavier. Es ist nervtötend für einen Musiker, den ganzen Abend da zu hocken und immer wieder die gleichen Pointen anhören zu müssen, nur um ein paar Szenenübergänge zu spielen.
Trotzdem war es gut, daß er das kannte. Über unser beider Verehrung für Richard Strauss kamen wir einander nahe. Auf der Omnibusfahrt zu einem Brumml-Gastspiel in Garmisch saß ich hinter ihm und summte bei der Ankunft ein Thema aus der damals noch selten gespielten ‚Alpensinfonie‘ Da riß es ihn herum: Wer summt das? Dieser Unterhaltungsheini? Wieso der? Sein Weltbild wackelte, wir begannen ein Gespräch und beendeten es als gleichgesinnte Freunde.
Als der stolze Programmdirektor bei Folge 12, der Goethefeier, meinte, Mozart gegen uns Banausen schützen zu müssen, (er ahnte nicht mal, daß es das Menuett nicht von Mozart sondern von von Boccherini war) und Neukomposition befahl, bat ich Kusche, stilistisch kontrastierende neue Nummern zu schreiben, die des Direktors Befehl dezent derbleckten, Er tat es gern.
Daß die Internationale Kopenhagener Wellenkonferenz den Deutschen alle guten Mittwellen nahm, ärgerte den Rundfunkpionier Kusche sehr. Er gehörte seit den Anfangstagen anno 1927 zu den Rundfunkstars der ‚Deutschen Stunde in Bayern‘ und war als Komponist und Pianist ein Liebling des Publikums. Ärger gebiert Rachegelüste, Rache ist süß, und Künstlerrache findet am treffendsten in Werken statt. Hat er Humor, sogar in gaudigen, ironischen Kusche.
Er war des Wortes mächtig. Er schrieb im Lauf dieser Jahre 100 Folgen seiner Reihe ‚Musikaleum‘ , die ich mit Annette von Aretin, Fritz Wilm Wallenborn und mir als Trialog-Terzett realisierte. Dartin machten wir mit Kusches Worten den Hörern die klassische Musik schmackhaft. Später habe ich noch 28 Sendungen im Fernsehen unter diesem Titel mit solchen Inhalten gemacht, bei denen er, den man bald den ‘Musikprofessor‘ nannte, selber im Bild mitwirkte. Zusammen mit Prof. Hans Gebhart, und nach dessen Tod dem Schriftsteller Hugo Hartung (der u.a.‚ ‘Ich denke oft an Piroska‘ und ‘Wir Wunderkinder‘ schrieb) Der dritte, Kurt Wilhelm, also ich, war Kusche durch gemeinsame Arbeiten und jahrelange Freundschaft über zwei Jahrzehnte eng verbunden. Sein Wissen um alle Themen der Musik schlug sich auch in über 20 amüsanten Büchern nieder, die er zu Lebzeiten veröffentlichte. Sie trugen dazu bei, ihn weiten Kreisen, auch Fernseh-Verächtern zum Begriff zu machen. Er war Jahrgang 1901, und starb 1983. Ein von Humor und Musik erfülltes, für alle Freunde amüsantes Leben war zuende.weiterlesen