DIE ANNONCE (2.7.50)
Bis zur ‘Währung’ 1948 jammerte man über den Mangel an Essen, Kleidung, Wohnung und lebensnotwendigen Hausrat. Zwei Jahre später drehte sich alles schon wieder ums liebe Geld. Die Leute werkelten gegen ihre bedrängende Geldknappheit an, und kamen dabei absurde Geschäftsideen, wenn sie sahen, mit welchem Quatsch und Trick so Mancher ekelhaft reich wurde. „Herrschaftseiten, das kann ich doch auch” dachte Jeder, aber nur wenigen gelang es. So ein Rentner wie Xaver Brumml, ein pensionierter Beamter aus einem Ministerium, von dem er nie genau begriff, wofür es gut sein sollte und was es verwaltete - so einer war ein leichtes Opfer für Skrupellose, die reich wurden, indem sie Chancen und Bargeld den minderbemittelten Mitbürgern aus der Tasche zogen. Von beiden Gruppen gabs damals, wie immer auf der Welt, nicht wenige, und die einen waren so erfindungsreich, wie die anderen naiv. Wenn die Geschichte mit der Annonce auch ein bissel albern zu sein scheint - es gab damals so manche Existenzgründung mit noch geringwertigeren Handelsgütern, die den reingefallenen Opfern daraufhin Albträume verursachten.
BEPPO BREM ist seit etwa 1932 einer der meistbeschäftigten Filmschauspieler gewesen. Das über 1.90 große, etwas ungelenke Mannsbild mit Händen groß wie Eßteller, war ein seltener Urtypus. Er konnte ebenso komische, groteske und alberne Rollen darstellen, wie ernste Charakterstudien von hilflosen, gutmütigen und gütigen Typen. Das Publikum kannte ihn vor allem aus bayrischen Dorf-Gaudi-Filmen, wo er mit Joe Stöckel und Josef Eichheim ein Trio bildete, das Lachstürme erntete. Viele Leute hielten ihn für so einen Dorfdeppen, der einfach sich selber spielte - aber das war ganz falsch. Erstens stammte er nicht vom Dorf, sondern aus München-Schwabing ( *11.3.1906) und wuchs in der Stadt auf. Zweitens genoß der junge, schlanke, naturburschenhaft hübsche Mann eine solide Schauspielausbildung und bekam Theaterengagements, in denen er klassische Liebhaber spielte. In Versen. Allerdings erkannte er damals schon seine Begabung als Komiker und weil der Jugend Schönheit ach so rasch vergeht und nur der Charakter besteht, engagierte die UFA 1931 den 25-jährigen für das Heldenepos ‘Kreuzer Emden’. Ich weiß nicht, ob es sein allererster Film war, aber seine tagisch-komische Darstellung eines Matrosen war so eindrucksvoll, daß er von da an keine ganzjährigen Theaterengagements mehr annehmen konnte. Er wurde von einem Film zum nächsten weitergereicht. Es müssen in seinen fast 60 Berufsjahren weit über 100 gewesen sein. Zwischendurch war er auch gern zu einer Funkrolle bereit. So auch für den alten Freistilringer Hänschen Klein in der vorliegenden ‘Brummlg’schicht’.
Mit Aufkommen des Fernsehens startete er quasi eine zweite Karriere, bei der Man nur selten Dorfdeppen von ihm verlangte Als eigenwilliger Kriminalkommissar Franz Josef Wanninger war er jahrelang einer der beliebstesten TV Stars. Ich habe später noch oft mit ihm gearbeitet. Zum Beispiel bei einem Film über die Entstehung der Olympischen Spiele, wo er als Dorer namens Bepepposeires die olympische Flamme durch die Jahrtausende trug - eine leicht literarisch-historische Gaudi.
Theater gespielt hat er immer, wenn es die Zeit erlaubte. Boulevard Komödien, Volksstücke, Thoma (den Filser in ‘Erster Klasse) im Staatstheater, den ‘Grillhofer’, die Hauptrolle in Anzengrubers ‘G’wissenswurm’, hat lange Tourneen gemacht, immer begleitet von seiner prachtvollen Frau Marga, die rührend für ihn sorgte. Gar, wenn er sp#ter ernsthaft erkrankte. Sie besänftigte ihn auch geduldig zu, wenn er sich über was ärgerte, eine schier endlose Anklagerede vor sich hin masselte oder den Anlaß des Ärgers auf gut Münchnerisch ohne feine Wortwahl zusammenstauchte. Beim Rengagement auf der Freilichtbühne in Wunsiedel holte er sich, bei strämendem Regen nahe den Minusgraden spielend eine schwere Erkältung, die in einem Herzinfarkt endete, den dessen Spätfolgen er am 5.9.1990 starb.
KOMMT EIN INSPEKOR? - - (26.11.50)
Konstantin Delcroix spielte einen der geheimnisvollen Inspektoren, vor denen alle Brumml sich fürchteten. Ist er der wahre gewesen? Delcroix war jahrelang eine der Säulen des Ensembles im Staatsschauspiel. In allen Sätteln firm, klassisch, bairisch, tragisch oder komisch. Rudolf Vogel nannte ihn sein großes Vorbild, seinen Lehrmeister.
Valentine Volkmers neuer Brumml-Vorschlag betraf ein literarisches Thema. Er war als Parodie eines großen Bühnenerfolgs dieser Tage gedacht. Das Original, ein Stück des Engländers Priestley ‘Ein Inspektor kommt’ war von hochtrabendem Tiefernst und wurde drum damals in aller Welt aufgeführt. Sogar in Bayern. Es paßte in die Zeit der Ost/West Kontroversen, denn es behandelt eine (natürlich kapitalistische) Familie, die auf einer Feier von einem Inspektor namens Goole verhört wird. Er muß ihre Mitschuld an einem Mord aufklären. Tatsächlich hat diesbezüglich Jeder auf der Bühne Dreck am Stecken und ist mitschuldig. (es sind ja Kapitalisten und das Opfer war eine arme Arbeiterin. No!) Die Reichen zittern vor einem Skandal, bis sie erfahren, es gibt gar keinen Inspektor Goole. Das Ganze war ein Bluff. Sie jubeln - bis die Nachricht kommt, ein echter Polizeiinspektor ist bereits auf dem Weg zu ihnen. Die Geschichte war auf der Bühne trotz, oder wegen der Linkslastigkeit eigentlich ziemlich fad. Sie war uns auch völlig wurscht, für unseren altbairischen Geschmack war das ein Politgeseires, Agitprop (Agitation und Propagada) und Aufsagerei, aber kein Theaterstück. Uns gefiel nur der Titel. Um den herum wollten wir eine Brumml-Handlung spinnen, die natürlich nichts mit Agitprop zu tun hatte, sondern mit der Münchner Gegenwart. Eine Gaudi mußte sie sowieso sein. Und wo es in England um Mord und Sozialismus geht, handelt es sich in München eher um die Vorherrschaft unduldsamer Frauen über pensionierte Ehemänner.
Nun gab es, warum so plötzlich weiß kein Mensch, eine Mode, die man in Norddeutschland ‘Spökenkiekerei’ genannt hätte. Weswegen Wahrsager und Geisterseher auch damals schon Hochkonjunktur hatten. Familie Brumml hatte damit keine weiteren Unkosten. Die hatte ihr Medium schon im Haus. Wir drei Autoren ließen die somnambule Zenzi durch drei unterschiedliche Wachträume eine Woge Brumml‘scher Wut, Panik und Angst auslösen. Dabei hatte auch sie nicht mehgt zu bieten als die Suche nach voraussehbarer Zukunft mittels Wahrträumen und deren Deutungen, Halluzinationen, dritten Gesichten, Visionen und lauter so verblasenem Zeug. Für das man als ständige Ausrede den albernen Satz benutzt: ‘Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt’. Mit dieser alles und nichts sagenden Behauptung war einst vermutlich etwas Bestimmtes gemeint. Bestimmt aber nicht, daß sie von Horoskopgläubigen und Visionsinhabern als Rechtfertigung ihres albernen Tuns genutzt wird. Uns war aber auch diese Spezies der spinnerten homines wurscht. Uns gefielt nur die Möglichkeit, die liebe Zenzi mit einem neuen Spleen auszustatten, während die Rentnerfamilie Brumml im Jahr 1950, wo‘s rundum wieder alles zu kaufen gibt, versucht, an‘s nötige Geld zu kommen. Die paßten dem englischen Stücktitel frohgemut einen ganz anderen Handlungsverlauf an, der unserer Nachkriegs-Realität entsprach. Da ging es immer noch verblasen, surreal und jenseitig genug zu, während alles Streben nur ums liebe Geld, das Gerschtl, den Flins, den Diridari kreiste.
Aber das ist so eine Sache, Man kriegt Humor mit doppeltem Boden oder gar ein bissel mehr Tiefgang nicht immer befriedigend hin. Oft verspricht man sich von einer Geschichte mehr, als am Ende heraus kommt. Und außerdem, wer will das Gegrübel hören? Die Brummlg’schichten waren zum Amüsieren da, nicht zum Philosophierenweiterlesen