»Niemand zeugt für den Zeugen« – In zahlreichen aktuellen Forschungsbeiträgen zur Erinnerungskultur des Holocaust ist Paul Celan ein beliebter Kronzeuge und Stichwortgeber. Allerdings dienen solche griffigen Zitate und Verweisehäufig bloß als Anschauungsmaterial. Zum Gegenstand gründlicher wissenschaftlicher Untersuchungen werden Holocaust, Erinnerung und Zeugenschaft in Celans Werk dagegen nur selten erhoben. In der Celan-Philologie ist es ähnlich: Die Bedeutung des HolocaustfürCelans Leben und Schreiben scheint derart unumstritten, dass dieses Thema oftmals nur noch im Vorbeigehen behandelt wird, so, als wäre darüber im Grunde alles gesagt. Mit anderen Worten: Es fehlt der Diskussion um den Stellenwert des Holocaust bei Celan heute an der Tiefe, die der Komplexität seines Werkes eigentlich entspricht.
Dieser Band versammelt neun Beiträge von Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern, die neue Perspektiven auf den Holocaust in Celans Leben, Werk und Wirkung eröffnen. Dabei werden nicht nur Zeugenschaft, Totengedächtnis und die poetische Darstellungsweise des Holocaust untersucht, sondern auch zeitgeschichtliche und biografische Gesichtspunkte der 1950er und 60er Jahre sowie Aspekte der Rezeption von Celans Holocaust-Dichtung.weiterlesen