Cento Passi, die bekannten hundert Schritte nach dem Essen, begleitete Giuseppe Micciché seinen demenzkranken Vater jeweils zwei, drei Mal pro Woche. Der Sohn hält dabei die schwindenden Momente mit seinem Vater fotografisch fest, wobei der präzise
dokumentarische Blick gleichzeitig von einer sanften Zartheit zeugt, die nie in Sentimentalität abzugleiten droht. Der Bewegungsradius beschränkte sich auf das Quartier, in dem der Vater lebte und arbeitete, seit er aus Sizilien nach Winterthur gekommen war: Wo
einst die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik stand, für die er über dreissig Jahre lange arbeitete, klafft nun eine postindustrielle Brache. Da, wo er wohnte, steht jetzt eine Tankstelle, und dort,
wo sein geliebter Schrebergarten war, ein McDonald’s Drive-In. Das sich im Wandel befindende Quartier bildet Spiegel und Projektionsfläche väterlicher Erinnerungen, deren Bezugspunkte sich ähnlich dem industriell geprägten Stadtraum in Auflösung befinden. "Cento Passi" verbindet eine intime Vater-Sohn- und Immigrationsgeschichte über einen langsamen Abschied von einem geliebten Familienmitglied mit dem Abschied vom industriellen Winterthur, an dessen blinden Flecken sich alte wie neue Erzählungen entfachen.
' Es wurde mir erst nach und nach bewusst, dass dies ein Versuch war, die Zeit anzuhalten, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen und einen nie wiederkehrenden Moment festzuhalten. '
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