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CLEAN CUBE

Zur Kritik der reinen Vernunft

Produktform: Buch

Zum Auftakt entwirft Jürgen Hasse eine »Kleine Phänomenologie der Waschstraße« und verortet sie in der Architektur des Parkhauses, das er als urbane Heterotopie beschreibt. Die Waschstraße – eine reinigende Passage – ist eine starke Metapher für das, was man sich von der Begegnung mit Kunst erhoffte: Transformation oder gar Läuterung. Das erweiterte Konzept kathartischer Erfahrung entspricht der Forderung Martin Vöhlers, die aristotelische Kategorie vor dem Hintergrund des weiten Bedeutungsspektrums des Begriffes in der Antike zu sehen, das vom Händewaschen über rituelle Reinigungen und Purgierungstechniken bis zur Befreiung von Schuld und der philosophischen Klärung von Begriffen reichte. In Auseinandersetzung mit Kants Kritik an der Möglichkeit von Erkenntnis allein auf Basis der »reinen«, also nicht mit Sinnlichkeit vermischten Vernunft und dem postmodernen Farewell to Reason entwickelt Wolfgang Welsch ein neues Konzept der »transversalen Vernunft« als Vermögen, die verschiedensten – auch die eigenen – Positionen zu vergleichen und zu prüfen. »Reinigungsarbeit« wird nicht nur in Begriffen, sondern auch mit Wischtüchern und Spezialwerkzeugen betrieben. Rosalia Zelenka, Spezialistin für Tatort-Reinigung, beschreibt ihre Arbeit, deren Ziel das spurenlose Verschwindenlassen von Tragödien ist. Eine Form ihrer »Psychohygiene« ist das Schreiben, das die vielschichtige, meist den Blicken entzogene Tätigkeit erfahrbar macht. Ausgehend von der dichten Analyse einer Waschmittel-Reklame nimmt Peter Bexte den Schmutz ganz wörtlich ›unter die Lupe‹. Er untersucht das Phantasma porentief reiner Haut, die als die intimste aller Oberflächen in besonderer Weise Raum für Hygienediskurse und den forschenden Blick der Mikroskopie gab. In der Kunst der Moderne wird »Reinheit« zu einem Topos, der sich mit der Abstraktion, der Trennung der Gattungen, mit Vorstellungen vom Unverdorbenen, aber auch mit ideologischen »Säuberungen« verbinden konnte. Anja Zimmermann konfrontiert die Reinheitsrhetorik der Moderne mit zeitgenössischen Positionen. Die modernen Hygienediskurse führen potentiell zu einer Sterilität, welcher Roger Fayet sein Konzept der »postmodernen Kompostierung« entgegenhält. Am Beispiel der zeitgenössischen Künstler Song Dong und Christoph Büchel zeigt er, wie das von der sauberen Moderne Ausgeschlossene reintegriert und körperlich erfahrbar wird. Laura Moisi nimmt Mary Douglas’ Standardwerk Purity and Danger von 1966 zum Ausgangspunkt einer Reflexion über die politischen Dimensionen von Reinheit. Die saubere Trennung zwischen Reinem und Unreinem geht mit einer Aufteilung des Sinnlichen einher, die Jacques Rancière als Frage nach der Sicht- und Unsichtbarkeit im sozialen Raum versteht. Thomas Macho untersucht die Geschichte der Ansteckungsangst vom Spätmittelalter bis zum zeitgenössischen Umgang mit Migrant*innen. Die katastrophalen Erfahrungen des Schwarzen Todes, so seine These, haben zum Aufstieg biopolitischer Paradigmen ebenso beigetragen wie zur Verbreitung der Ängste vor Ansteckung und Verunreinigung. Mit den vermischten Residuen der Zivilisation beschäftigt sich Julia Grillmayr in ihrem Essay über den von Mikroorganismen durchsetzten »Klärschlamm«. Feldforschung in Kläranlagen verbindet sich mit einer von Donna Haraway inspirierten Reflexion darüber, wie die Aufmerksamkeit für das ganz Kleine zu großen Veränderungen führen kann. Den Abschluss bildet ein Interview von Josefine Löser mit dem Regisseur Ed Moschitz über seine Arbeit an dem Dokumentarfilm »Mama illegal« (Ö 2011). Über mehrere Jahre hinweg begleitete er drei Mütter, die mit Hilfe von Schleppern ihre Familien in Moldawien verließen, um in Österreich und Italien als Reinigungskräfte zu arbeiten.weiterlesen

Dieser Artikel gehört zu den folgenden Serien

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-85449-537-6 / 978-3854495376 / 9783854495376

Verlag: Sonderzahl

Erscheinungsdatum: 01.11.2021

Seiten: 168

Auflage: 1

Herausgegeben von Jasmin Mersmann, Anne von der Heiden

32,00 € inkl. MwSt.
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