Clement Greenberg setzte nicht nur im USamerikanischen Kunstbetrieb der 1950/60erJahre Maßstäbe: Seine Beiträge zu künstlerischen Entwicklungen im Umfeld der New York School und ihrer Vorläufer in der klassischen Moderne hatten kanonisierende Wirkung. Energisch bekannte er sich zu seinem persönlichen Geschmack und postulierte dabei zugleich eine
universelle Gültigkeit der getroffenen Urteile. Diese Ambivalenz zwischen subjektiver Positionierung und Objektivierungsanspruch bildet den Ausgangspunkt für den vorliegenden Band, in dem die Auseinandersetzung des Kritikers
mit formalistischer Kunsttheorie, philosophischer Ästhetik und Avantgardegeschichte nicht in Form der offiziellen Veröffentlichungen in den Blick gerät, sondern im Zustand ihrer Entstehung.
Das Buch gewährt anhand bislang unveröffentlichter Vorlesungsmanuskripte Einblick in die Gauss-Seminare Greenbergs, die er 1958/59 in Princeton vor Intellektuellen und Künstler*innen hielt, die später ihrerseits zu dominierenden Akteur*innen des amerikanischen Kunst- und Kulturbetriebes werden sollten. Ausgewählte private Notate und Skripte machen darüber hinaus sichtbar, dass und wie der „Formalismus“ Greenbergs mit Distinktionsinteresse und Ringen um Identität in jenem intellektuellen Milieu verwoben war, das sich im Spannungsfeld von Sozialismus und Liberalismus zu positionieren versuchte. Die im Band
abgedruckten Quellen werden teils direkt, teils als Kontextfolie in vier flankierenden Essays kommentiert, deren Fokus auf der Reflexion Greenbergs kritikgeschichtlicher Position liegt.weiterlesen