Das Projekt der Ideologie
Studien zur Konzeption einer Ersten Philosophie bei Destutt de Tracy
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
In der vorgelegten Arbeit wird versucht, die Konzeption von »Philosophie Première« bei Destutt de Tracy vorwiegend textintern nachzuzeichnen. »Ideologie« und »Erste Philosophie« sind synonym, wie Antoine-Louis-Claude Destutt de Tracy (1754–1836), der Verfasser des Werkes »Eléments d’Idéologie« (Paris 1801–1815) im dritten Band, welcher den Titel »Logique« trägt, herausgestellt. An die Stelle eines abschließenden philosophischen Systems soll ein Programm treten.
Die der gesamten Arbeit zugrundeliegende These lautet: »Destutt de Tracy hat eine anthropologisch orientierte Philosophie des Bewußtseins herausgebildet«. Destutt de Tracy ging es darum, mittels dieser Philosophie des Bewußtseins eine »Rekonstruktion der Philosophie« zu leisten, die zum Ziel hatte, den Gegensatz von »Idealismus« und »Realismus« zu überwinden. Diese Deutung der Intention der Ideologie wird gegen Ende der Arbeit durch ein Zitat (S. 231) belegt und somit gegenüber alternativen Deutungen gestützt.
Im Gegensatz zur traditionellen Metaphysik, die als allgemeine Metaphyik das Sein zum Gegenstand hat (Ontologie) und als spezielle Metaphysik von der Seele, von Gott und vom Kosmos handelt, begreift Destutt de Tracy die Aufgabe der Ideologie nicht als eine auf Gegenstände besonderer Art gerichtete Wissenschaft. Er spricht sich gegen die Inanspruchnahme einer Erkenntnis Gottes (Theologie) in der Philosophie aus; die Kenntnis des Wesens, des Seins und der letzten Bestimmung der Seele hält Destutt de Tracy für eine Anmaßung der Philosophen und er spricht von einem Hang des menschlichen Geistes zu einer vorschnellen Beantwortung der Frage nach der Gesamtordnung des Universums (»esprit de précipitation«).
Diese Stellungnahmen geben, gemessen an dem Anspruch der traditionellen rationalen Metaphysik, einem »skeptischen Impuls« nach. Dessen ist sich Destutt de Tracy bewußt. Er strebt die Herausbildung einer rationalen Philosophie an, die dem skeptischen Impuls in gewisser Weise nachgibt, ohne in Skeptizismus zu verfallen. Kapitel II versucht, die Einsetzung des Titelbegriffs »Idéologie« mit der Einschränkung der Reichweite gegenüber Condillacs Begriff von »métaphysique«, der seinerseits bereits einer Ablehnung des traditionellen Metaphysikbegriffs entspricht, darzustellen.
Als die »Idee der Ideologie« wird in Kapitel I herausgestellt, daß Destutt de Tracy versuchte, ausgehend von vorwissenschaftlicher Erfahrung, zu zeigen, wie »man da angekommen ist, Wissenschaft zu betreiben«. Die »Erste Philosophie« kann nach Destutt de Tracy keine »positive Wissenschaft« sein; der Anfang der Wissenschaft, den die Erste Philosophie stets zeigen wollte, kann nicht in einer Darstellung des Seienden, insofern es ist, gezeigt werden, sondern insofern es aufgefaßt ist und insofern dasjenige, was aufgefaßt wurde, sprachlich geäußert wurde. Die vorgelegte Arbeit beginnt damit, drei innerhalb der Ideologie ineinander verwobene Problemstränge herauszustellen: 1. Destutt de Tracy meint, durch einen Rückgang auf das Cartesische »cogito« das Fundament des menschlichen Erkennens darstellen zu können. 2. Die Immaterialismusthese, die Destutt de Tracy bei Berkeley findet, hält er für einen Anlaß für den Skeptizismus. Er versucht einerseits, den Zweifel an der Existenz von bewußtseinsunabhängigen Dingen als in sich widersinnig herauszustellen und andererseits, die Erfahrung von realen, materiellen Dingen als Voraussetzung für die Möglichkeit darzustellen, ›Ideen‹ von Ausdehnung, Dauer, Raum, Zeit, Ursache etc. zu formen. 3. Die Beschreibung der Struktur und der Funktion von ›Ideen‹ bildet das zentrale Anliegen Destutt de Tracys, weshalb ›Idéologie‹ als Titelbegriff fungieren kann.
Kapitel I.4. zeigt, daß »idée« in der Ideologie nicht als ein intramentaler Gegenstand gefaßt wird, sondern als das geistige Medium, durch welches Gegenstände aufgefaßt werden. Hierdurch unterscheidet sich die Ideologie z.B. von Lockes oder Humes Empirismus. Die These, daß Destutt de Tracy eine Philosophie des Bewußtseins herausgebildet hat, wird auf diese Weise spezifiziert. Unter Annahme des Begriffs der Philosophie als »Orientierung über Orientierung« wird diese These sodann entfaltet: der Ideologie gemäß kann von einer »doppelten Medialität der menschlichen Orientierung« gesprochen werden, insofern nicht nur die im Akt des Auffassens gebildete ›Idee‹ als Medium zur Anerkennung der Realität der Dinge fungiert, sondern bestimmte Eigenschaften der realen Dinge als Medien fungieren, um Ideen von den Gegenständen formen zu können.
Das Problem der Medialität leitet zum Problem der Zeichen über, wie es in der Ideologie in Analogie zur Gegenstandsauffassung abgehandelt wird. Am Ende von Kapitel II werden im Anschluß an den französischen Forscher S. Auroux zwei Zeichenmodelle einander gegenübergestellt, die seit dem 17. Jahrhundert herausgebildet worden waren.
Kapitel III beleuchtet sodann die einzelnen Thesen Destutt de Tracys, die in Kapitel I genannt wurden, im Hinblick darauf, wie sie innerhalb der Ideologie methodisch durchgeführt werden. Es wird gezeigt, daß Destutt de Tracy ›vor‹ der Ebene der Prädikation ein ›Attributionsmodell‹ in der Äußerung von Urteilen beschreibt. Dieses Modell kennzeichnet gleichzeitig die vorwissenschaftliche Ebene seiner eigenen Darstellung. In Kapitel III werden Quellen für dieses Modell genannt. In Kapitel III.4. wird dann gezeigt, daß das Festhalten an diesem Modell zu Konflikten um den Begriff der Logik führt und zum Scheitern der Ideologie, eine formale Logik zu fundieren.
Die Kapitel IV und V gehen stärker als die vorigen auf das Umfeld und die Rezeption der Ideologie ein. Die Intention ist jedoch wiederum nicht auf eine umfassende historische Darstellung gerichtet; es wird vielmehr versucht, hierdurch der Intention Destutt de Tracys näherzukommen. Kapitel IV skizziert die Konfliktpunkte, die zu einer Spannung zwischen der Ideologie und dem beginnenden Kantianismus geführt haben: ein Herd von Mißverständnissen aufgrund terminologischer Schwierigkeiten. Das Problem, ob der kantische Gedanke einer transzendentalen Logik mit dem Ansatz der Ideologie unverträglich ist, wird offengelassen.
Kapitel V setzt sich mit Deutungen der Philosophie Destutt de Tracys auseinander, die von der Auffassung des Verfassers abweichen. Es wird dafür plädiert, die Ideologie nicht als Naturalismus (oder Materialismus) zu verstehen, wobei jedoch die Äußerungen zum Determinismus als ein problematischer Punkt anerkannt werden. Kapitel V.6 stellt abschließend anhand einer Konfrontation von Foucaults und Destutt de Tracys Zugang zu den Wissensfeldern, die durch die Stichworte »Arbeit«, »Sprache« und »Leben« charakterisiert werden, die These auf, daß gegenwärtig ein Bedarf besteht, die Thematik, die Fragestellung und die Ansatzpunkte bestimmter Wissenschaften auf einer der Ideologie entsprechenden Darstellungsebene zu präsentieren.weiterlesen
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