Das Rhein-Main-Gebiet in der Spätantike
Beiträge zur Archäologie und Geschichte
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Das Rhein-Main-Gebiet nahm in der Antike als Kommunikationskorridor zwischen dem Imperium Romanum
und der Germania (Magna) eine Schlüsselstellung ein. Als verkehrstopographische und klimatische
Gunstregion
mit fruchtbaren Böden bot und bietet es zugleich beste Voraussetzungen für Besiedlung und
wirtschaftliche Prosperität. Besonders in Zeiten politischer Umbrüche geriet das Rhein-Main-Gebiet verstärkt
in den Fokus staatlicher Interventionen Roms, so insbesondere während der Germanenkriege der
frühen Kaiserzeit und in der Sicherheits- und Außenpolitik der Spätantike. Die Bedeutung der Region
kommt in der reichhaltigen archäologischen Überlieferung sowie in den ›res gestae‹ des Ammianus Marcellinus
zum Ausdruck. Über die Ereignisgeschichte der Alamannenkriege des 4. Jahrhunderts hinaus bietet
letztere auch Informationen etwa zu germanischen Oberhäuptern und Stämmen, die teilweise im Rhein-
Main-Gebiet und angrenzenden Regionen verortet werden.
Die Umbrüche und Transformationsprozesse mit erhöhter Migration zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert
haben in der Region besondere Dynamiken entfaltet. Die Forschungen der letzten rund 30 Jahre führen zur
Skizze einer vielfältigen und vielschichtigen Grenzgesellschaft, die sich nach den herkömmlichen Kategorien
Provinzbevölkerung, Restromanen und germanische Einwanderer nur unzureichend beschreiben lässt.
Das Ausmaß der Kontrolle Roms und seines Einflusses auf die rechtsrheinischen Gebiete in der Spätantike
bleibt umstritten. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen noch nicht ausgewerteten Ausgrabungen ist die
Wissenschaft weit davon entfernt, alle Entwicklungen und Zusammenhänge zu durchdringen. Es obwalten
noch Kontroversen, die in den verschiedenen Beiträgen aufgegriffen werden – ein Zeichen dafür, dass noch
viel Grundlagenforschung zu leisten ist.
Mittlerweile mehren sich die Indizien dafür, dass mit dem Verlassen römischer Siedlungen teilweise erst
im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts zu rechnen ist. Ging der (endgültige) Rückzug der römischen Verwaltung
aus dem rechtsrheinischen Limesgebiet damit einher? Mehrere Beiträge dieses Bandes beleuchten die
Weiternutzung oder das Weiterbestehen römischer Siedlungen beziehungsweise die Neubesiedlung unter
germanischen Vorzeichen und diskutieren ihre Einordnung als geduldete Inbesitznahme oder gezielte Vorfeldsicherung
der Rheingrenze. Die Anknüpfung an bereits vorhandene Bevölkerungselemente scheint
dabei möglich, die Einbindung in den spätrömischen Wirtschaftsraum zeichnet sich ab (Beiträge Alexander
Reis; Margot Klee; Thomas Becker; Vince Van Thienen/Markus Helfert). Wie verhalten sich dazu römische
Befestigungsmaßnahmen, die (Neu-)Strukturierung der römischen Grenzsicherung und schließlich die Entstehung
befestigter germanischer Höhensiedlungen (Beiträge Ronald Bockius; Katharina Ramstetter)?
Welche Rolle das Rhein-Main-Gebiet überhaupt in der römischen Außenpolitik spielte, analysiert Nikolas
Hächler. Dem aktuellen Forschungsstand zum Charakter der städtischen Zentren am nördlichen linksseitigen
Oberrhein und den sie betreffenden Fragen von Transformation und Kontinuität in der Spätantike widmen
sich an den Beispielen von Mainz und Worms die Beiträge von Alexander Heising und Mathilde
Grünewald.
Ein in der ganzen Region herausragendes Einzelstück stellen die Fragmente einer Glasschale des letzten
Drittels des 4. Jahrhunderts mit gravierten Szenen aus dem Alten und Neuen Testament aus Obernburg am
Main dar, die wohl als Handels- oder Beutegut an den Untermain gelangte. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung
mit ihr bot den Anlass einer Tagung zur Spätantike im Rhein-Main-Gebiet in Obernburg im
April 2018, deren Vorträge in dieser Publikation vorgelegt werden. Die Obernburger Glasschale steht bei-
Reis_2022.indb 5 12.04.2022 16:49:30
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spielhaft für das archäologische Überraschungspotential, das die spätantiken bis völkerwanderungszeitlichen
Fundstätten der Region bergen können. Gleichwohl bleibt sie in der Region ein Solitär, wie die
technische, künstlerisch-ikonographische sowie religionshistorische Einordnung und Neubewertung des
Fundes zeigen (Beiträge Stefanie Nagel; Manuela Studer-Karlen; Sebastian Ristow). Der Beitrag von Constanze
Höpken erlaubt eine Einordnung der Obernburger Schale in das Spektrum spätantiker Glasgefäße
und ihrer Verwendungen auch weit über die Region hinaus.weiterlesen
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