Davon geht die Welt nicht unter
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Vorliegender Text ist der literarischen Dokumentation zuzuordnen, entstanden aus Bildern, die aus der Erinnerung der Protagonistin aufsteigen und wieder versinken.
Bilder umkreisen in der Art eines Mandalas ein Geschehen, von außen, nach innen, bis sie im Inneren, der Essenz eines Gedankens, angekommen sind und sich daraufhin wieder zurückziehen
und zu einem neuen Bild gelangen.
Zeitlich ergibt sich ein lockeres Nacheinander, aber auch der einzelne zeitliche Rückgriff bzw. Vorgriff wird eingesetzt, wenn es für die Aussage wichtig ist.
Eingefügt sind in den Text abschnittweise Auszüge aus Briefen von Familienangehörigen, Zitate aus der Historie, Aussagen von öffentlichen Personen aus der Zeit von 1942 - 1960 und den Aufzeichnungen der Mutter der Protagonistin 'Für meine Kinder'.
Das Zeitgeschehen wird mit den Augen des Kindes und des jungen Mädchens Ilse wahrgenommen. Sie ist Teil des Geschehens, aber auch die reflektierende Person, die aus der zeitlichen Distanz zurückblickt.
Das Leitmotiv stellt die Person der erschossenen Tante dar, Lieblingsschwester der Mutter. Verbindung zwischen den Episoden vermittelt eine Person: die erschossene Tante, Lieblingsschwester der Mutter, deren Schicksal in vielfältigen Spiegelungen das Geschehen aller Akteure mitbestimmt.
Auf diese Weise entsteht die Seelenmatrix einer Familie innerhalb des Zeitraums von 1930 - 1960.
Jedes Familienmitglied wird vom tragischen Schicksal dieser Tante erfasst, in eine bestimmte Richtung gedrängt und in seinem weiteren Lebensweg beeinflusst. Ähnlich der griechischen Tragödie, wo es kein Entrinnen gibt.
Die Ausdrucksweise ist zum Teil bewusst einfach gehalten, eine Art Kunstsprache, die der eines Kindes bzw. jungen Menschen entspricht.
Weitere sprachliche Versatzstücke finden sich in Dialektausdrücken, um den Leser in die Atmosphäre der jeweiligen Region (z.B. das Montafon) hineinzuziehen.
Die Personen werden als Rollenträger der Familie vorgestellt: der Vater, die Mutter, die Großmutter, die scheue Tante usw., und so wird das Beziehungsmodell der Familie deutlich.
Namen, falls wichtig, werden abgekürzt wie der von Herrn Hofrat H., Freunde mit Vornamen benannt, Namen abgeändert, nur Orte und Regionen mit ihrem vollen Namen ausgeschrieben, um den ständigen Wechsel der Lebensverhältnisse dieser deutsch-österreichischen Familie kurze Zeit vor und in den Jahren nach dem Krieg deutlich zu machen.
Inhalt
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In der ersten Bildfolge 'Versunkene' Orte erfährt der Leser von der Geburt eines Kindes, das mitten im Krieg den möglichen Geburtsvorgang in einer Art Rückschau intuitiv miterlebt, wie auch von der kurzen Zeit in einem Haus in Nordböhmen und von fast untergegangenen Empfindungen berichtet, die deutlich machen, dass es nicht willkommen ist.
Kurz darauf die Beschreibung einer langen, gefährlichen Zugfahrt, begleitet von dem Geräusch fallender Bomben, in der Obhut einer alten Frau, die es weit weg an einen anderen Ort bringt.
In der nächsten Sequenz 'Verwunschene Orte' erhält das Kind den Namen 'Ilse', und es begreift, dass die alte Frau seine Großmutter ist, mit der es von nun an allein ohne die Geschwister und die Mutter lebt, die es schnell vergisst.
Es wächst frei und liebevoll in einem großen verwilderten Park in dem heruntergekommenen Haus für die Bediensteten des Barons von C.-K. auf, der das Leben in dieser kleinen oberbayerischen Gemeinde bestimmt.
Den Park hat der bereits verstorbene Großvater, ein Herrschaftsgärtner, mit angelegt, und er ist für das Kind ein einziger Abenteuerspielplatz: die alte Kegelbahn, wo immer noch Dynamit gelagert wird, das Klettern auf die Reiterstatue, wo es laut Lieder singt, die es im Radio gehört hat, z.B. 'Davon geht die Welt nicht unter , und auf dem Eisenpferd sitzend den Arm hebt und 'Heil Hitler' schreit, die Spiele am Bach usw.
Die Großmutter hat wenig Zeit, da sie immer auf der Suche nach Essen und Material zum Heizen ist oder in der Gärtnerei mitarbeitet, die sie und ihr Mann vormals vom Baron gepachtet haben. Ein weiterer Begleiter des Kindes ist der 'unsichtbare Herrgott ', der für das kleine Mädchen durch die tiefe Gläubigkeit der Großmutter überall präsent ist.
Die Großmutter, die aus Hessen stammt, ist ein wichtiges Mitglied der evangelischen Kirche in dem rein katholischen Ort, was sich mit den Flüchtlingen nach dem Krieg ändern wird.
Unterbrochen wird dieses Kinderleben von dem plötzlichen Auftauchen der Geschwister und Ilses Mutter, der im letzten Moment die Flucht aus dem Sudetenland gelungen ist.
Der abwesende Vater, ein Österreicher, befindet sich in Russland an der Front und muss für das Deutsche Reich kämpfen, bis er in Gefangenschaft gerät.
Ilse hat Schwierigkeiten, die fremde Frau als ihre Mutter, die älteste Tochter der Großmutter von insgesamt drei Mädchen, anzuerkennen.
Sie hält sich lieber bei der Baronesse auf, die in einer renovierungsbedürftigen Villa im Park lebt und in einer für das Kind verzaubernden Welt residiert, wie auch bei dem 'Zigeuner', den die Baronesse dort während des Kriegs versteckt gehalten hat.
Die entscheidende Wendung in Ilses Leben bringt die Botschaft von dem Tod der zweiten Tochter, die als Lehrerin an einem Gymnasium in Berchtesgaden, einer der Hochburgen der Nazis,
arbeitet. Die junge Frau, eine glühende Nationalsozialistin, wird kurz nach dem Einmarsch der Alliierten vergewaltigt und erschossen in einem Waldstück aufgefunden.
Das Kind, das das Wort 'Tod' nicht versteht, erlebt deren gewaltsamen Tod an der Reaktion der Großmutter, die bei dieser Nachricht das Beil nimmt und unter den erschrockenen Augen des kleinen Mädchens ihr schönes Rotländerhuhn mit einem Axthieb tötet.
Nach diesem Erlebnis hört die kleine Ilse für Wochen auf zu laufen und wird wieder zum Kleinkind.
In der Bildfolge 'Fluchtorte' werden die Besuche des kleinen Mädchens bei den anderen Großeltern, den Eltern des Vaters, beschrieben, die sich vor dem Krieg in dem Nachbardorf in Sicherheit gebracht haben. Bei ihnen lebt der jüngere Bruder, ein asthmakranker Bub, den Ilse sehr liebt.
Hier erlebt Ilse die Welt der Großeltern, die, beide Österreicher, über viele Jahre mit dem jüdischen Bauunternehmer, Arbeitgeber des Großvaters, von Baustelle zu Baustelle gezogen sind, wobei der aus Slowenien stammende Großvater an seiner Ablehnung für Hitler keine Zweifel aufkommen lässt.
Ilse wird eingeschult und erlebt ihr erstes Schuljahr in der kleinen oberbayerischen Gemeinde. Sie empfindet sehr genau die Welt des Mangels, weiß sich jedoch mit dem lebensfrohen Sinn eines Kindes in fast jeder Situation zu helfen.
An der Schule wird viel gesungen, das wichtigste Buch ist ihr Liederheft.
Als der Vater eines Nachts vom Krieg aus Russland heimkehrt, liegt am Morgen ein fremder Mann, halbverhungert und verletzt in einem Bett, dem Ilse misstrauisch und voll Abwehr begegnet.
Nach mehreren Versuchen findet der Vater endlich Arbeit, geht nach München, holt die Familie nach, wo sie von nun an in einer Baubaracke leben. Ilse muss lernen, mit ihrer Familie auszukommen und erfährt die Abwehr der Erwachsenen, als sie versucht, ihr eigenwilliges Leben bei der Großmutter fortzusetzen. Sie erlebt zum ersten Mal das Stigma des Sündenbocks, da sie, lebhaft und eigenwillig, nicht ins Schema passt, was sich durch alle Bildfolgen zieht.
Gleichzeitig fühlt das Kind, dass mit den Erwachsenen etwas nicht stimmt, denn sie versuchen,
ihre Welt wieder zusammenzufügen, indem sie die Wahrheit leugnen.
Ilse spürt die tiefe Trauer des Vaters, der schwer traumatisiert aus dem Krieg zurückgekehrt ist, und das Entsetzen der Mutter über ihre untergegangene ‚heile Welt‘. Die Ängste der Eltern greifen auf das Kind über, und es wird von Alpträumen geplagt, die nach und nach von seinem Leben Besitz ergreifen. Ilse wird krank und darf für einige Wochen wieder zur Großmutter, die sie gesund pflegt.
Die zerstörte Stadt und die vom Krieg beschädigten Menschen sowie amerikanische GIs begleiten das Kind im Außen, wie auch die nervenkranke Mutter, für die das kleine Mädchen immer mehr zur Mutter wird und sich für sie verantwortlich fühlt.
In der nächsten Sequenz 'Orte des Todes' geht die Protagonistin auf die wenigen rudimentär vorhandenen Hinweise, Briefe Fotografien der getöteten Tante ein (das meiste ist von der Mutter beseitigt worden), die ein provisorisches Grab erhält, vor allem auf den aussagekräftigen Brief des Barons, dessen Familie immer noch großes Ansehen im Chiemgau genießt, obwohl auch er viele Besitztümer durch den Krieg verloren hat.
Seine Deutung über den Tod dieser Tante überzeugt am meisten, da er die Familie des Kindes und die drei Töchter der Großmutter von klein auf gekannt hat. Bis in letzter Konsequenz kann der Tod der Tante nicht aufgedeckt werden. Sie bleibt verschollen, letzte Bemühungen in den 70er-Jahren verlaufen im Sande.
Ilse fällt auf, dass sich über ihre ganze Welt ein Tuch des Schweigens legt. Sie bekommt auf ihre vielen Fragen keine Antworten, sondern wird als frech und anmaßend abgeurteilt.
Die entstandene gesellschaftliche Leere wird von der neuen Welt der Besatzer überlagert.
In dem Abschnitt " Orte des Überlebens" geht es um die Rückkehr des Vaters nach Österreich, der in Vorarlberg eine Anstellung erhält.
Das lebhafte Kind erlebt die Fahrt ins ' Ausland'. Es begleitet die Mutter ins Montafon, eine damals
abgeschiedene Welt.
In der 'Ersten Ausfahrt ', einem der Herzstücke des Romans, erfährt der Leser mit den Augen des Kindes Ilse von den Bergbewohnern, ihrer bitteren Armut und dem Einfluss der Industrialisierung, immer mit Querverweisen zur Bedeutung der Wasserkraft, die bereits in der Hitlerzeit als wichtiger Energieerzeuger eingesetzt wird.
Der Vater, ein Fachmann für Pumpspeicherwerke, arbeitet zumeist in den Bergen und lässt seine nervenkranke Frau mit den Kindern in dem Haus in den Bergen allein.
Für Ilse und ihren jüngeren Bruder ist es trotzdem eine glückliche Zeit, und sie tauchen ein in die magische Welt der Bergbewohner, die für die Kinder noch in Ordnung ist.
Diese Zeit endet in einer Katastrophe, als die kranke Mutter zusammen mit dem Mädchen versucht, sich aus dem Sessellift der Hochjochbahn zu stürzen. Sie wird in die Nervenheilanstalt Valduna, noch vor kurzem eine der Hauptstätten der Euthanasie, gebracht.
In den 'Unbekannten Orten' sitzt das Mädchen im Zug nach Bregenz, wo die Familie sich niederlässt. Er führt es zu den 'Orten des Abseits', in eine am Rande der bürgerlichen Welt entstandenen schäbigen Neubausiedlung, wo das Mädchen von nun an mit seiner Familie lebt.
Von hier ergibt sich ein Blickwinkel auf die satte bürgerliche Welt der Einheimischen, die sich nur zu gerne in der Annahme bestätigt fühlen, dass es sich bei den Bewohnern Vorarlbergs bzw. Österreichs um eine von Hitler besetzte Nation gehandelt hat.
Vor allem in der Schule leben bei einigen Lehrern Ideale des Dritten Reichs fort, nahtlos verbunden mit dem Einfluss der katholischen Kirche und dem Mythos, dass Österreich das erste Opfer der Machtpolitik Hitlers gewesen sein soll, was von den Besatzungsmächten kräftig geschürt wird.
Die heranwachsende Ilse streift kurz den Einfluss der französischen Besatzungsmacht in Vorarlberg auf ihre Welt und ihre soziale Bedeutung auf die Gesellschaft.
Das Mädchen eckt überall an, zuhause und in der Schule, da es spürt, dass es angelogen wird und sich nicht anpassen kann, was in dem Abschnitt ' Orte des Kampfes' zum Ausdruck kommt. Dadurch gerät die junge Ilse immer mehr an den Rand und versucht trotzdem in dem Bild 'Orte der Vergeblichkeit', Freunde unter den Einheimischen zu finden, was ihr nicht gelingt.
In dem nächsten zentralen Abschnitt 'Zweite Ausfahrt' erfährt des junge Mädchen in einer kinderreichen Bauernfamilie, wo es in den Ferien zum Arbeiten und Französischlernen hingeschickt wird, dass es trotz allem liebenswert ist.
Auch hier wird die Lebensweise der bäuerlichen Bevölkerung im Kanton Waadt beschrieben sowie die geschichtliche Situation der Westschweiz gestreift.
In den Bildern 'Orte der Auflehnung' und 'der sexuellen Aufklärung' erfährt der Leser von der bigotten Welt der 50/60er Jahre, vor allem in Vorarlberg, stets begleitet in der Sequenz 'Orte der existenziellen Bedrohung' von der finanziellen Not der Familie.
Wobei die Erfahrungen mit einfließen, dass die Mutter an der Schwäche des Vaters, der mit den Vorarlbergern nicht zurechtkommt, über sich hinauswächst und durch ihren Einsatz für die Familie das Zuhause rettet.
Die Bilder werden von der Tatsache begleitet, dass sich die Eltern, vor allem die Mutter, unter dem Druck an dem jungen Mädchen abreagieren und es zur Außenseiterin machen.
In der 'Dritten Ausfahrt' erlebt die junge Ilse die Welt der feinen Schweizer Gesellschaft, wo sie hingeschickt wird, um zu arbeiten und gute Manieren zu lernen.
Sie soll erkennen, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist, und lehnt sich dagegen auf.
Wieder zurück, muss sie in den 'Orten der Wölfe' den Preis dafür zahlen. Nach einer üblen Gewalterfahrung mit einem Mann türmt sie von zu Hause, wird von der Schule verwiesen und macht in dem von Bregenz weit entfernten Ort Bludenz doch noch ihre Matura.
Wie in einem Spiegel erkennt sie an dem Selbstmord ihrer lieben Tante, der dritten Schwester der Mutter, die zwei uneheliche Kinder hat, was es heißt, durch das Raster der Gesellschaft zu fallen und verachtet zu werden.
Gleich nach der Matura verlässt das junge Mädchen Vorarlberg und geht für immer nach München.
Im 'Nachtrag' überblickt die inzwischen längst erwachsen gewordene Ilse im Rahmen einer Familienaufstellung, wie und wo die Energien der vier Geschwister und deren unterschiedliche Biografien in dem Schicksal der erschossenen Tante, dem Trauma der Familie, zusammenlaufen, sich berühren und enden.
Um sich von diesen bestimmenden Energien zu befreien, beschließt sie, sich innerlich, vor allem mit der toten Mutter, zu versöhnen und auf einem neuen Weg weiterzugehen.weiterlesen
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