Der 1989 begonnene nachbarschaftliche Dialog über die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat nicht nur zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen in Europa beigetragen, sondern auch tief gehende Spannungen hervorgerufen. Die Debatten zwischen den benachbarten Nationen haben deutlich gemacht, wie schwer es Deutschen und Polen sowie anderen Europäern fällt, eine gemeinsame Interpretation der jüngsten Geschichte zu erarbeiten, wie sehr die historischen Erfahrungen immer noch einen trennenden Faktor darstellen. So hat sich trotz politischer und ökonomischer Partnerschaft in den letzten Jahren gezeigt, dass die Unterschiedlichkeit der Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und die Teilung des Kontinents nach 1945, die unterschiedliche Fokussierung auf Ereignisse und Probleme den bilateralen politischen Dialog erschwert.
Der vorliegende Band versammelt Beiträge über kollektive Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Teilung des Kontinents sowie über die geschichtspolitischen Diskussionen in Polen und Deutschland nach 1989. Die Autoren analysieren nicht nur den Verlauf der jeweiligen nationalen Geschichtsdebatten, sondern erörtern auch die Frage, ob die Mehrheit der Polen und Deutschen heute an einem Dialog über ihre historischen Erfahrungen überhaupt interessiert ist und wie dieser Erfahrungsaustausch geführt werden kann. Diskutiert wird auch, ob sich trotz der in vielen EU-Ländern zu beobachtenden Rückbesinnung auf die nationale Geschichte eine europäische
Identität entwickeln wird oder ob dieser Prozess – entgegen den nach 1989 aufgekommenen Hoffnungen – einer Art 'europäischem Kulturkampf' weichen wird.
Das Buch dokumentiert eine von der Stiftung Genshagen organisierte Tagung, an der im Februar 2006 Experten aus Deutschland und Polen teilgenommen haben.weiterlesen