Die dichterische Phantasie und der Mechanismus des Bewußtseins
Produktform: Buch
Hermann Cohen (1842–1918) gilt als Begründer des Marburger Neukantianismus. Kaum bekannt ist, dass Cohen vor seiner Wende zu Kant in enger Verbindung mit der Völkerpsychologie Moritz Lazarus’ und Heymann Steinthals und unter dem Einfluss der Philosophie Johann Friedrich Herbarts stand. Zwischen 1866 und 1869 hat Cohen in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft drei ambitionierte Aufsätze publiziert, unter denen der letzte unter dem Titel Die dichterische Phantasie und der Mechanismus des Bewußtseins eine wissenschaftsgeschichtliche Trouvaille darstellt. Der Text, der in der literaturwissenschaftlichen Fachgeschichte ebenso wie in der philosophischen Ästhetik unbekannt ist, entwirft unter Bezug auf Herbarts Apperzeptionsbegriff und die völkerpsychologische Kategorie der »Verdichtung« eine theoriegeleitete Literaturwissenschaft, die die Strukturen und Verfahren sprachlicher und mythischer Bedeutungsproduktion in den Blick rückt. Damit befindet sich das Wissenschaftsprogramm, das Cohen umreißt, nicht nur in deutlichem Gegensatz zu den philologischen und textpflegerischen Praktiken, mit denen die Germanistik des 19. Jahrhunderts ihre fachliche Identität bestimmt hatte. Zudem greift es theoretischen Impulsen voraus, die sich die Germanistik unter dem Einfluss formalistischer und strukturalistischer Positionen erst in den 1960er Jahren angeeignet hat.
Die Edition folgt der Erstausgabe des Aufsatzes von 1869. Eine Einleitung skizziert die philosophischen Kontexte und das Wissenschaftsprogramm des Textes.weiterlesen