In der Hansestadt Lübeck unterhielt der „alte“ Jesuitenorden von 1644
bis 1772 eine kleine Mission, bestehend aus zwei Patres. Sie wohnten
im Dombezirk nacheinander bei verschiedenen Domherren und hatten
dort auch eine kleine katholische Kapelle eingerichtet. Obwohl zunächst
für die geistliche Betreuung der katholischen Domherren gedacht
– das Lübecker Domkapitel blieb bis zu seiner Auflösung 1804
bikonfessionell aufgestellt –, betreuten die Patres auch eine kleine katholische
Lübecker Gemeinde. Nicht alle Einwohner der Stadt waren
dem Mehrheitsvotum zugunsten der Einführung der Reformation in
Lübeck im 16. Jahrhundert gefolgt. Aus verschiedenen Motiven blieben
einzelne Personen und ganze Familien der „alten Kirche“ verbunden.
Hinzu kamen Arbeitsmigranten, etwa die Kupferhändler aus dem
Brabant und Künstler aus Italien, die ihren Glauben dort leben wollten.
Das führte zu vielschichtigen Auseinandersetzungen mit der weltlichen
und geistlichen Obrigkeit der Stadt, die sich als ein lutherischer Ort
verstand und andere christliche Minderheiten kaum duldete.
Die Jesuiten waren gehalten, in Jahresberichten ihrem Orden Rechenschaft
über ihr Tun und Lassen zu geben. So wurden die litterae
annuae für die ordensinterne Kommunikation verfasst und an den
Provinzial der Niederrheinischen Provinz in Köln und an den Generaloberen
nach Rom versandt. Zusätzlich zirkulierten die Texte in den
anderen Ordensniederlassungen der Ordensprovinz. Sie dienten der
religiösen Erbauung und der wechselseitigen Information. Die Leser
erhalten tiefe Einblicke in das Leben und Wirken der Patres vor Ort
und in ihr kulturelles und religiöses Wirken. Sie erfahren aus einer
anderen Perspektive viel über historische Ereignisse, wie Kriegszüge,
Sturmfluten und eben die interkonfessionellen Auseinandersetzungen
rings um Lübeck. Die jeweiligen Texte dieser Jahresberichte wurden
für diese Quellenedition aus der Überlieferung des römischen Archivs
der Jesuiten und des Historischen Archivs der Stadt Köln auf Lateinisch
zusammengestellt und ins Deutsche übersetzt. Dieser Edition
sind auch die katholischen Kirchenbücher, das Tauf-, das Hochzeitenund
das Totenbuch sowie eine Liste von Firmanden aus dem Jahr
1703 beigefügt.weiterlesen