Zur Entstehung eines mitteleuropäischen Obligationenrechts
Produktform: Buch
Die Rügeobliegenheit zählt heute wie früher zu den essenziellen
Rechtsinstituten des deutschen Handelsrechts. Rügt der Käufer einen
Mangel nicht unverzüglich, gilt die Ware als genehmigt. Diese auf
den Verkäuferschutz gerichtete Vorschrift dient der Schnelligkeit und
Rechtssicherheit im Handelsverkehr.
Während die Rügeobliegenheit heute in § 377 HGB ausschließlich
für den beiderseitigen Handelskauf gilt, fand sie im Rahmen des
Art. 347 ADHGB bei jedem Rechtsgeschäft Anwendung, welches
einseitig ein Handelsgeschäft war. Auch ein Nichtkaufmann musste
die Rügeobliegenheit wahren, obwohl er nach bürgerlichem Recht
kontrahierte.
Das ADHGB von 1861 galt nahezu in allen Mitgliedstaaten des
Deutschen Bundes sowie in nicht zum Deutschen Bund gehörenden
Gebieten des Kaisertums Österreich und der Preußischen Monarchie,
stand Pate für das ungarische Handelsgesetz von 1875 und
prägte ausländische Handelsgesetze, wie z.B. den Entwurf eines
schweizerischen Handelsrechtes von 1864 und den italienischen
Codice di commercio von 1882. Der Anwendungsbereich der
Rügeobliegenheit des ADHGB führte zur Entstehung eines
mitteleuropäischen Obligationenrechts, indem die Rügeobliegenheit
von den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns nach Verlassen
des ADHGB-Rechtsraumes überwiegend auch in allgemeine
Zivilrechtskodifikationen aufgenommen wurde. Demgegenüber hat
der deutsche Gesetzgeber die Anwendung auf den beiderseitigen
Handelskauf beschränkt.weiterlesen