Die vier Evangelien geben uns sieben Worte an, die der Gekreuzigte ausgesprochen hat: Zuerst im grellen Mittagslicht der dritten Stunde – nach heutiger Zählung die zwölfte Stunde, dann beim Einbrechen einer Finsternis um die sechste Stunde und zuletzt vor dem Einsetzen des Erdbebens um die neunte Stunde, als der Vorhang im Tempel von oben bis unten zerriss, da Jesus verschied.
Wir lesen diese Worte heute, soweit wir überhaupt noch mit den christlichen Dokumenten leben. Und dabei kann uns die Not und Frage überkommen, wie weit diese der Schrift so ganz verhaftet eingewohnten «Worte» überhaupt den Verstand des Herzens mit seinem freien Phantasie- und Bildevermögen, jedem Einfall offen, noch anrühren, noch zum Sprechen – und darum zum Hören – bringen können?
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in unsere Zehner- und Zwanzigerjahre herauf hat das Sprechen im Alltag, auf der Bühne, im Fernsehen etc. an Tempo so zugenommen, dass sich Begriffe gerade noch abschöpfen lassen, aber alles Nach-Denken, Mit-Erleben, Stimmung übernehmen, Phantasiebilder aufbauen, oder – in der Dichtung – gar noch Reim, Rhythmus, Vers Lebensansprüche zu gönnen, das geht im wachsenden Tempo des Sprechens alles zu Bruch. Und das Gefährlichste daran: Die Verständigung von Mensch zu Mensch degeneriert. Die Digitalisierung der persönlichen Meinung breitet diese millionenfach aus, bricht aber dem Gespräch von Atem zu Atem den Hals.
Erlebnis aufzubauen, durch das Wort neu zu vermitteln, wurden die sieben Worte Jesu in Verse geformt, könnten im Sprechen, abwechselnd einzeln oder chorisch, durch instrumentale, gesangliche Steigerungen bereichert werden, um ihnen zuerst Gehör, dann Erlebnis, zuletzt Verständnis aufzuschließen von Kopf bis Fuß, kulminierend im Herzverstehen. So könnte nicht nur eine auflebende Gestaltung der Sprache errungen werden, sondern mehr ein inhaltsreiches Gehör und Erfahren, was unter dem Buchstaben seiner Auferweckung harrt.weiterlesen