Die Siedlung Dessau-Törten wird in der bauhistorischen Literatur zumeist als Musterbeispiel für die Vorfertigung von Bauteilen und für eine nach tayloristischen Prinzipien rationalisierte Baustellenorganisation aufgeführt. Vor dem Hintergrund dieser bis heute vorherrschenden Interpretation, die sich zumeist ausschließlich auf die von Gropius veröffentlichten Pläne und Fotografi en stützt, wurden vom Verfasser umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um detaillierte Informationen zum bauzeitlichen Zustand der Häuser zu gewinnen. Diese zeigen, dass weder die Konstruktion und Materialität der Häuser noch die städtebauliche Anlage der Siedlung nach ausschließlich rationellen
Gesichtspunkten geplant wurden. Das äußere Erscheinungsbild war weniger fi nanziellen Notwendigkeiten untergeordnet, sondern erweist sich bei genauer Betrachtung als vielschichtige künstle rische Konzeption. Anhand von Gropius’ Selbstzeugnissen wird der
Entwurfsan satz auf unterschiedlichen Ebenen herausgearbeitet und sein Verständnis von der Stellung des Architekten in der Gesellschaft dargestellt. Dabei wird deutlich, dass Rationalisierung für Gropius keine wissenschaftliche Methode zur 'Entzauberung
der Welt' im Sinne Max Webers war, sondern vielmehr eine umfassende künstlerische Herausforderung.weiterlesen