Die abendländische Geschichte der Wolken spielt sich in einem durch zwei konträre und komplementäre Vorstellungen definierten Raum ab. Setzt die eine auf die Oberflächeneigenschaften der Wolke selbst, auf Wölbungen, Protuberanzen, unstabile Grenzverläufe und Gestaltenreichtum, so privilegiert die andere das Dunstige, Nebelhafte, Undurchsichtige und Trennende. Spuren einer nubigenen Imagination in der bildenden Kunst und Literatur können bis in die Antike zurückverfolgt werden. Diese nimmt den Formenreichtum von Wolkenformationen als Ausgangspunkt einer Kunstkonzeption, die sich dem reinen Abbildcharakter verschließt und vermehrt auf die schöpferische Imagination des Künstlers setzt. Bei der anderen, auf einer metaphysisch dualistischen Sicht basierenden Vorstellung steht vor allem die Mittelstellung der Wolken auf der Schwelle zweier Welten, einer höheren, bedeutungsvolleren, aber hinter Schleiern versteckten, sakralen und einer tieferen, die Sinne täuschenden, erdnahen, profanen im Mittelpunkt. Obwohl der nubigenen Imagination weitgehend die untergeordnete Rolle zukam, änderte sich dies mit dem Übergang in die Moderne, welche nicht nur zu einer Neuentdeckung der Wolken, sondern auch zu einer erweiternden Umdeutung des nubigenen Prinzips selbst geführt hat. Es sind dabei genau die diffizile begriffliche Erfassung und die wuchernde Konturlosigkeit, welche ihnen zu einer neuen Bedeutung verholfen haben, die sich gleichermaßen für Literatur, Kunst, Philosophie und Wissenschaft nachweisen lässt.weiterlesen