Unterschiedlichste Wertordnungen durchdringen zunehmend die Gesellschaft. Mit der Zeit beschränkt sich diese Pluralität aber nicht nur auf die jeweilige Gruppe, sondern sie dringt auch in die Bewusstseinssphäre des einzelnen Menschen ein. Die Folge davon ist, dass das Individuum mehrere Ansichten über die gleiche Erkenntnis entwickelt, wovon nicht die eine oder andere als richtig oder falsch, gut oder schlecht oder gar als abwegig eingeschätzt werden kann. Somit kann es im Denken der Individuen über denselben Gegenstand verschiedene Urteile geben. Diese schließen sich weder gegenseitig aus noch konkurrieren sie gegeneinander. Folglich gibt es auch gegensätzliche Lebens- und Erkenntnisprinzipien, die nebeneinander entwickelt werden, ohne dass sie sich gegenseitig ausschließen.
Der Mensch wird vor diesem Hintergrund in seinem Heranwachsen von der Gesellschaft und ihren Einrichtungen geprägt. Er muss sich den kulturellen Überlieferungen und ökonomischen Gegebenheiten anpassen und hat wenig Chance, dagegen zu opponieren. Da aber die Individualität des Menschen einzigartig ist, widerspricht sein Wesen dieser Fremdbestimmung. Die Selbstverwirklichung des Individuums ist daher nur im Zusammenhang mit der Überwindung seiner bisherigen sozialen, gesellschaftlichen und religiösen Anschauungen möglich. Im Abwägen von Freiheit und Verantwortung ist der einzelne Mensch auf sich selbst gestellt. Im Extremfall muss er einen hohen Preis für seine Freiheit zahlen, Konkurrenz und Vereinsamung ertragen. Die Normen, welche die tatsächlichen Prioritäten im Alltagsleben bestimmen, sind kaum mehr benennbar. Sinnintegrierte Bedeutung ist heute in den wenigsten Lebensbezügen beinhaltet, weshalb viele traditionelle Modelle der Daseinsbewältigung unbrauchbar geworden sind.weiterlesen