E. T. A. Hoffmann – Vom „Märchen der neuen Zeit“ zum „Technischen Märchen“ der Science Fiction 1813 - 1822
Produktform: Buch
Neben seinen beiden häufig rezipierten Automaten-geschichten, in denen er entweder künstliche Intelligenz antizipiert (1814) oder die Mechanik eines Androiden perfektioniert (1815), hat Hoffmann in den „Märchen der neuen Zeit“ vor allem utopisch anmutende optische Instrumente, die eine technische Visualisierung des Unsichtbaren ermöglichen und mit denen der Rezipient sogar die Realität manipulieren und sich seine eigene Wirklichkeit schaffen kann, integriert.
Seine utopische Optik umfasst u.a. die physikalische Entfernung des Spiegelbildes (1815), ein Perspektiv mit dem die Wirklichkeit invertiert gesehen werden kann (1815), einen Hohlspiegel, in dem per Gedankenkraft entfernte Ereignisse visualisiert und telehaptisch beeinflusst werden können (1818), und als innovativen Höhepunkt in „Meister Floh“ (1822) ein Videogerät mit unglaublicher Vergrößerungskraft, den Laser als Waffe, einen Vergrößerungs- und Belebungsapparat sowie eine mikroskopische Kontaktlinse für das Auge, einem „Gedankenglas“, mit
dem Gedanken sichtbar gemacht werden können.
Auch über die Zukunft der Musik als „Maschinenmusik“ sowie des Buches hat Hoffmann spekuliert. Das Pop-Art-Buch hat er vorweggenommen und als ein Buch mit Hologrammen weiterentwickelt (1818). Seine Idee eines telepathischen Buches, mit dem sämtliche Bücher der Welt gelesen werden können (1819), ist heute (fast) Wirklichkeit geworden, da mittels eines in eine Jackentasche passenden Tablet-PCs oder Smartphones mit WLAN (fast) alle Bücher dieser Welt als Ebook oder Textdatei zugänglich sind.
Hoffmanns in seinen satirischen Märchen der neuen Zeit von 1813 - 1822 integrierte Wissenschaftskritik, Fragen zur Ethik der Technik, Technikmissbrauch und der Technikfolgenabschätzung sowie sein Technikpessimismus finden ein halbes Jahrhundert später in den 1870er Jahren eine Weiterentwicklung in den „Naturwissenschaftlichen Satiren“, der frühen Science Fiction, von Kurd Laßwitz und vor allem Julius Stinde.
E. T. A. Hoffmann lässt das tradierte (Volks)Märchen der alten Zeit und auch das zeitgenössische Kunstmärchen hinter sich und transferiert es in die neue Zeit, indem er als erster auch „märchenhaft“ erscheinende, technische Neuheiten integriert und antizipiert. Mit seinen „Märchen der neuen Zeit“, in denen er seit 1813 bereits für die SF typisch werdende Motive verwendet und den Teufel als Experimentalphysiker zum Mad Scientist transformiert, kann Hoffmann als Missing Link zwischen dem tradierten Märchen und dem „Naturwissenschaftlich-technischen Märchen“, der Science Fiction, interpretiert werden.weiterlesen