das ganze stück, da ja unmöglich,
einfach zerschmeißen für experiment,
ohne realität!
zur „selbstverständigung“
Fast 50 sehr unterschiedliche Texte zu Bertolt Brecht, ,Versuche‘ einer mehr als sechzigjährigen‚Selbstverständigung‘ mit Entwicklungen, Brüchen und Leerstellen – auch aus biografischer Sicht –, sind in diesem Band versammelt. Im Zentrum steht nicht der ‚Klassiker‘ Brecht, sondern der ‚andere‘ Brecht, der Brecht der Baal-Linie, der eine ‚eigensinnige‘ Perspektive entwickelt: „Es ist unmöglich, das Glücksverlangen der Menschen ganz zu töten.“ (Brecht) Dabei dominiert der Widerspruch von Asozialität und Sozietät, von Hedonismus und Destruktion, von Glücksstreben und Vernunft sowie von Konsumtion und Produktion, verstanden in einem weiten Sinne als Produktivität. Brecht verwendet die Weltliteratur als ‚Steinbruch‘, seine Auswahl orientiert sich am „Materialwert“, nicht an Tradition und ‚Erbe‘. Dementsprechend spielen Zitat, Fragment und Montage – neben der Fabel und dem Realitätsbezug – eine besondere Rolle in seiner Literatur, in Theater und Lehrstück. Mit letzterem schuf er eine radikale Konzeption von Theater und Pädagogik, in der Entfremdung, Verfremdung und Fremdheit, das In-„Dividuum“ in seiner Pluralisierung und seiner Beziehung zum Kollektiv sowie „Haltung“ und „Gestus“ von besonderer Bedeutung sind.
Während Heiner Müller das Fatzer-Fragment für Brechts „größten Entwurf“ hält, sieht er dessen Glücksgott kritisch als „Spielball“: „Brecht gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren, ist Verrat.“ (Müller) Das heißt, Brechts Texte immer erneut „zerschmeißen für experiment“ – „zur ‚Selbstverständigung‘“.weiterlesen