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Entscheidungsanalytische Modellierung diagnostischer Verfahren in der Präzisionsonkologie - Eine gesundheitsökonomische Einordnung der Liquid Biopsy in den Kontext der Versorgung von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC)

Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)

Molekularbiologische Grundlagenforschung hat dazu beigetragen, Mechanismen der Entstehung und invasiven Ausbreitung von Krebserkrankungen besser zu verstehen. Durch die Erkenntnisse zu Signalkaskaden und deren Funktionsstörungen bei Krebserkrankungen fanden auf molekularer Ebene kausale Ansätze für die Entwicklung spezifischer Arzneimitteltherapien Anwendung, die als zielgerichtete Therapien zusammengefasst werden. Die Ursache der gestörten Signalkaskaden sind spezifische Treibermutationen, die wiederum weitergehende Störungen der Zellen bewirken. Treibermutationen können durch molekularbiologische Diagnostik identifiziert werden. So gelingt es, zielgerichtete Therapien für Patienten auszuwählen. Mit Blick auf Behandlungsergebnisse, die durch Ansprechrate, Überleben sowie Verträglichkeit charakterisiert werden können, zeigen sich patientenrelevante Vorteile gegenüber den weniger spezifischen und kaum selektiv ansetzenden Zytostatika. Zielgerichtete Therapien kommen beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) zum Einsatz, das zum einen nach wie vor eine schwer zu behandelnde Tumorerkrankung darstellt und für das zum anderen durch Erfolge in der molekularbiologischen Grundlagenforschung eine ganze Reihe von Treibermutationen identifiziert werden konnten. Zielgerichtete Therapien stellen für betroffene Patienten, die überwiegend in späten Stadien diagnostiziert werden, eine deutliche Verbesserung der Therapieoptionen dar. Über alle alternativen Modalitäten hinweg – einschließlich radioonkologischer und chirurgischer Interventionen – hat die weiterwachsende Zahl zugelassener zielgerichteter Therapien die Behandlung des Lungenkrebses bereichert. Beim NSCLC handelt es sich um eine Tumorentität, die zusätzlich zur histologischen Pathologie durch molekularbiologische Diagnostik stratifizierbar ist. Damit jedoch nach molekularer Stratifizierung zielgerichtete Therapien eingesetzt werden können, bedarf es molekularpathologischer Untersuchungen zur Identifizierung therapeutisch adressierbarer Genveränderungen, wie Alterationen der Gene EGFR, BRAF, ROS1 oder ALK. Zur molekularbiologischen Diagnostik können sowohl die Gewebebiopsie als auch die Liquid Biopsy herangezogen werden. In etwa 10-30 % der Fälle kann aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Tumorgewebe, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, keine molekulare Diagnostik anhand einer Gewebebiopsie durchgeführt werden. Für diese Subpopulation ist durch die fehlende molekularpathologische Diagnostik keine Auswahl einer zielgerichteten Therapie möglich, obgleich sie Treibermutationen aufweisen, die einer zielgerichteten Therapie zugänglich sind. Die Liquid Biopsy ermöglicht hingegen auch in diesen Fällen eine molekulare Diagnostik von zirkulierender Tumor-DNA sowie Tumorzellen. Die Liquid Biopsy ergänzt somit zu Beginn der onkologischen Differentialdiagnostik die Möglichkeiten des Goldstandards Gewebebiopsie. Da im weiteren Behandlungsverlauf eine Evolution der Tumorzellen erfolgt, die u. a. durch genetische Veränderungen (Alterationen) gekennzeichnet ist, birgt die Anwendung der Liquid Biopsy im Zuge des diagnostischen Monitorings das Potential, Tumorzellen pathologisch zu charakterisieren und veränderte Treibermutationsmuster nachzuweisen. Dies ermöglicht eine Anpassung der zielgerichteten Therapie, sofern eine solche verfügbar ist. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die klinische Bedeutung der durch die Liquid Biopsy im Vergleich zur Gewebebiopsie erweiterten diagnostischen Möglichkeiten am Beispiel des NSCLC (Adenokarzinom) zu charakterisieren und anhand gesundheitsökonomischer Evaluationen zu bewerten. Als Untersuchungsgegenstand galt die Frage, inwieweit sich die Verfügbarkeit der diagnostischen Informationen auf die Behandlungsergebnisse auswirken. Zu diesem Zweck wurden zunächst klinische Modelle entwickelt und validiert. Auf der Basis der Erkenntnisse wurde eine gesundheitsökonomische Bewertung durchgeführt, die eine Kosten-Effektivitäts- sowie eine Kosten-Nutzwert-Analyse umfasste. Zunächst galt es in der Betrachtung der klinischen Zusammenhänge, den Einfluss molekular stratifizierter Therapien für das Adenokarzinom im Hinblick auf klinische Endpunkte zu bestimmen. Parameter zu den ausgewählten Endpunkten progressionsfreies Überleben (PFS), Gesamtüberleben (OS), Ansprechrate (ORR) sowie Eintrittshäufigkeiten zu Nebenwirkungen wurden zunächst anhand einer systematischen Übersichtsarbeit mittels einer Literaturrecherche ermittelt. Anschließend wurden auf Basis der Ergebnisse publizierter klinischer Studien und unter Berücksichtigung hochwertiger Registerdaten relevante Übergangswahrscheinlichkeiten für die nachgehenden Modellierungen abgeleitet. Die Ergebnisse wurden im nächsten Schritt mit klinisch tätigen Onkologen validiert und anschließend als Wahrscheinlichkeiten in einen Entscheidungsbaum eingetragen, der die klinischen Behandlungsalgorithmen hinsichtlich der jeweiligen therapeutischen Optionen abbildet. Auf der Basis wurden die direkten Behandlungskosten ermittelt. Für ausgewählte Treibermutationen und die damit verbundenen Behandlungsalgorithmen wurde unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Behandlungsergebnisse eine Kosten-Effektivitäts-Analyse anhand des entwickelten Entscheidungsbaums durchgeführt. Als Endpunkte wurde sich auf das PFS sowie auf die direkten medizinischen Kosten fokussiert. Die Liquid Biopsy wurde im Interventionspfad als sog. Add-on eingesetzt, sobald eine Gewebebiopsie als zu vergleichende Diagnostik nicht möglich war, molekulare Analysen aufgrund der mangelnden Beschaffenheit des gewonnenen Gewebes nicht durchgeführt werden konnten oder eine erworbene EGFR-TKI-Resistenz festgestellt wurde und ein negatives Testresultat der Biopsie in Bezug auf T790M vorliegt. Für Patienten mit EGFRMutationen, die eine der häufigsten adressierbaren Genveränderungen beim NSCLC repräsentieren, wurde zusätzlich eine Kosten-Nutzwert-Analyse durchgeführt, in der qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALYs) sowie direkte medizinische Kosten als Endpunkte gewählt wurden. Es folgte ein Vergleich dreier Behandlungspfade: (i) ausschließliche Gewebebiopsie, (ii) ausschließliche Liquid Biopsy sowie (iii) Liquid Biopsy als Add-on. Bei dem Behandlungspfad (ii) wurde darüber hinaus der Ersatz einer Computertomographie durch die Liquid Biopsy im Rahmen des Therapiemonitorings untersucht. Die Kosten-Nutzwert-Analyse erfolgte auf Basis eines Markov-Modells. Es zeigte sich eine Vorteilhaftigkeit molekular stratifizierter Therapien im Vergleich zu Zytostatika mit Blick auf das PFS, das OS sowie die ORR. Auch konnten schwerwiegende Nebenwirkungen verringert werden. Wurde die Gesamtkohorte betrachtet, die sowohl Patienten mit therapierbaren Treibermutationen als auch Wildtypes einschließt, so war der Behandlungspfad mit einer Liquid Biopsy kostspieliger als ein Pfad mit einem ausschließlichen Angebot einer Gewebebiopsie (122.388 € [95 % CI: 121.676-123.100] vs. 122.246 € [95 % CI: 121.548-122.944]). Der Einsatz einer Liquid Biopsy war jedoch mit einer längeren PFS verbunden (12,5 Monate [95 % CI: 12,4-12,6] vs. 12,4 Monate [95 % CI: 12,3-12,5]). Eine klinische Vorteilhaftigkeit ergab sich insbesondere für Patienten mit therapierbaren Genveränderungen. Wurde der Fokus auf EGFR-mutierte Patienten gelegt, so ergab sich durch den Einsatz der Liquid Biopsy als Add-on sowie durch den ausschließlichen Einsatz einer Liquid Biopsy ein Zugewinn von Δ 0,03 bzw. Δ 0,02 QALYs. Die QALYs bei ausschließlicher Gewebebiopsie lagen bei 1,59 QALYs. Ein Behandlungspfad mit einer Liquid Biopsy als Add-on war bei dieser Subgruppe der kostengünstigste. Mit dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass Patienten durch den Einsatz einer Liquid Biopsy von längeren Überlebenszeiten sowie einer höheren Lebensqualität profitieren, verglichen mit dem ausschließlichen Einsatz einer Gewebebiopsie. Als kosteneffektiv stellte sich die Liquid Biopsy als Add-on im Rahmen einer Initialdiagnose sowie eines Therapiemonitorings bei EGFR Patienten heraus. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration einer Liquid Biopsy als Add-on durch eine moderate Kosteneffektivität gekennzeichnet ist, die von der genetischen Veränderung und der Behandlungslinie abhängt.weiterlesen

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-9672917-3-5 / 978-3967291735 / 9783967291735

Verlag: Mensch & Buch

Erscheinungsdatum: 20.02.2023

Seiten: 286

Auflage: 1

Autor(en): Fabienne Englmeier

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