Mit seinen über 700 Seiten ist es der bisher umfangreichste Band, davon mehr als 400 Seiten Anmerkungen, was den wissenschaftlichen Wert dieser Arbeit hervorhebt. Diesmal geht es um die Zeit zwischen 1800-1850, als zweiter Teilband des Bereichs „Vom Barock bis zur Revolution 1718-1850“. Widmung des Verfasser: Den Gewesenen, den Gegenwärtigen, den Kommenden aus Klerus und Volk unserer drei Schwesterdiözesen“. Seinen bereits im ersten Band gesetzten Zielen ist Bischof Martin Roos treu geblieben: diese Publikation soll in historisch-wissenschaftlicher Form das seit dem Ende des ersten Weltkriegs getrennte Erbe so darstellen, wie es entstanden ist und sich binnen Jahrhunderten fortentwickelt hat. Unser heutiges, von der blutigen Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägte nationalistische Geschichtsbewusstsein Südosteuropas wird dadurch ein wenig korrigiert und zurecht gerüttelt. Damit schließt sich diese analytische Denkweise dem heutigen Europa-Gedanken an, wenn dieser auch zur Zeit durch Geldgier und Bankenmonopolen ins Wackeln gekommen ist. Der Autor verfolgt dabei die gleichen Ziele, die man in anderen europäischen Grenzregionen und historisch gewachsenen Kulturlandschaften bereits erreich hat.
Durchblättert man diesen opulenten Band, wird einem die europaweite Geschichte des historischen Banats erst bewusst. Obwohl der Autor, ein gebürtiger Banater Schwabe, seine Gedanken, Erklärungen und Forschungsergebnisse in deutscher Sprache niedergeschrieben hat, denkt er mit einem viel weiteren Horizont, in dem das beengte nationale und konfessionelle Denken fast verschwindet. Die Banater Geschichte ist zwar bisher in rumänischer, deutscher, ungarischer oder einer slawischer Sprache geschrieben worden, doch bekommt der Leser das Gefühl, dass diese Denkweise tendenziös und einseitig wirkt. Höchste Zeit also, all diese alten abgetragenen Gewänder abzulegen.
Besonders in der in diesem Buch beschriebenen Zeit, in der die Revolution von 1848 ihre Schatten bereits viele Jahre davor vorauswirft, ist eine objektive Sichtweise nicht einfach zu gewinnen. Und die Folgen dieser umwälzenden Jahrzehnte haben auch den restlichen Teil des 19. Jahrhunderts stark geprägt. Im Zentrum steht dabei die Zeit folgender Banater Bischöfe: Ladislaus Köszeghy de Remete (1800-1828), Antonius Török (1829-1832), Joseph Lonovics de Krivina (1834-1850) und Michael Horváth (designierter Bischof, 1848-1849). Damit nimmt die Spannung in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tschanader Diözesangeschichte zu und die Glaubwürdigkeit des Verfassers wird auf die Probe gestellt. Bereits nach den ersten Kapiteln dieses Buches kann man feststellen, dass der Autor diese Probe bestanden hat. Spätestens im Kapitel zur Einführung der Agramer Grundherrschaft in Billed und die Rolle des kroatischen Bischofs Maximilian Verhovac kann man die europäischen Dimensionen der Banater Kirchengeschichte feststellen. Der Besuch des Banats durch Kaiser Franz I., die Auslagerung des kaiserlichen Kronschatzes in der Zeit der napoleonischen Kriege nach Temeswar, die Veröffentlichung eines französischen Gesangbuches im Banat, die Ansiedlung von geflüchteten Tiroler auf dem Gebiet der Tschanader Diözese, die Niederlassung von vielen böhmischen und slowakischen Familien im Banater Bergland und nicht zuletzt die Rolle Temeswarer Geistlichen während der revolutionären Ereignissen von 1848-1849 – all dies beweist die historische Bedeutung und folgenreiche Tragweite dieser Epoche.
Besonders interessant ist die Liste der Sprachen, die in den verschiedenen Pfarreien des Tschanader Bistums 1828-1832 gesprochen wurden: in 83 von 162 Pfarreien wurde ausschließlich deutsch gesprochen, in 16 nur ungarische, in 4 nur illyrisch, in jeweils 1 nur bulgarisch oder rumänisch und in den restlichen französisch, böhmisch, slawisch, deutsch, ungarisch, bulgarisch, illyrisch, u.s.w. Beispielhaft sind auch die jeweiligen Karten gefertigt, die von Dr. Franz von Klimstein (Regensburg) und Claudiu Calin, dem Archivar der Temeswarer Diözese, stammen.
Hinsichtlich der Biographie des Temeswarer Canonicus Josef von Róka wird auch die Festung Kufstein erwähnt, in der viele ungarische Gefangene etliche Jahre wegen ihrer Rolle während der Revolution verbüßen mussten. Auch manche interessante kunsthistorische Geheimnisse werden gelüftet: die berühmte sogenannte Cranach-Madonna aus der Jahrmarkter Kirche ist nur eine gute Kopie aus dem 19. Jahrhundert und das sogenannte Dürer-Bild von Deutschsanktmartin hielt einer gründlichen Prüfung nicht stand und gehört auch keiner Dürer-Schule an. Echt jedenfalls ist das Diplom, das der Klaviervirtuose Franz Liszt anlässlich seiner Konzerte 1846 in Temeswar erhalten hat, unterschrieben u.a. auch von Bischof Joseph Lonovics. Als lesenswert, lehrreich und spannend kann man diesen neuen Band bezeichnen und hoffen, dass bald auch die nächsten Bände folgen werden.weiterlesen