Die massenhafte Ermordung kranker und behinderter Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus geriet erst spät in den Fokus der Forschung. Nahezu drei Jahrzehnte brauchte es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, bis Historiker begannen, die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen auf breiterer Basis wissenschaftlich aufzuarbeiten. Mittlerweile liegt eine Fülle von Studien vor, die sich unter anderem mit der Entstehung und Verbreitung rassenhygienischen Denkens, der Organisation und Verwaltung des Krankenmordes, einzelnen psychiatrischen Einrichtungen und den verschiedenen Opfergruppen beschäftigt haben.
Der vorliegende Band, der die Beiträge einer im Oktober 2015 im Hessischen Staatsarchivs Marburg durchgeführten wissenschaftlichen Tagung enthält, bündelt bestehende Forschungsansätze unter einem weiten zeitlichen Zugriff, der die Entwicklungen vor 1933 und nach 1945 einschließt, und zeigt Perspektiven für künftige Arbeiten auf. Er fragt mit einem sowohl auf das Deutsche Reich insgesamt als auch auf Hessen gerichteten Fokus nach Tätern und institutionellen Strukturen, nimmt die Ursprünge eugenischen Denkens und dessen politische Implikationen in den Blick und thematisiert Aspekte der justiziellen Aufarbeitung wie auch der Erinnerungskultur in den Nachkriegsjahrzehnten.
Der abschließende Katalogteil des Buches stellt in vielerlei Hinsicht Verbindungslinien zu den abgedruckten Aufsätzen her. Er dokumentiert Exponate und Begleittexte der Ausstellung Auslese der Starken - Ausmerzung der Schwachen. Eugenik und NS-Euthanasie im 20. Jahrhundert, die im Jahr 2015 im Staatsarchiv Marburg zu sehen war und den thematischen Rahmen für die Tagung bildete.weiterlesen