Während der Dokumentarfilm zumindest dem Anspruch nach Wirklichkeit darstellt und erschließt, ist der Industriefilm – ob als Herstellungs-, Image- oder Schulungsfilm für den firmeninternen Gebrauch – immer schon damit beschäftigt, Wirklichkeit hervorzubringen: Also bestimmte Handlungen und soziale Strukturen zu produzieren, in dem er Diskurse in Formen der Organisation überführt. Tatsächlich könnte man den Industriefilm als das verdrängte Andere des Dokumentarfilms bezeichnen. Nicht nur bildete die Industrie- und Auftragsfilmproduktion oft genug die gerne verschwiegene ökonomische Basis der künstlerischen Dokumentarfilmproduktion. Als routinierte, ja standardisierte Form der Darstellung und der Wahrnehmung entwickelt der Industriefilm seit seinen Anfängen im Kino und später auch im Fernsehen eine unübersehbare Präsenz und prägt unser Wissen, ohne dass einzelne Beispiele der Gattung im öffentlichen Gedächtnis eine prägnante Spur hinterließen. Und auch wenn der auf 35mm-Material gedrehte Wirtschaftsfilm fürs Kino ein Ding der Vergangenheit ist, so finden seine Formen und Strategien in anderen medialen Formaten und Umgebungen ihr Nachleben – nicht selten als Parasiten des Dokumentarischen, etwa wenn Imagefilme über Autodesign bei einer deutschen Nobelmarke im privaten Fernsehen als journalistische Reportagen auftreten.
In einer Reihe von Überblickstexten, Fallstudien und Interviews bringt dieser Band die verschwiegene Selbstverständlichkeit zur Sprache, mit der Industriefilme ihre Arbeit verrichten.
Mit Beiträgen von den Herausgebern, von Thomas Elsaessser, Edward Dimendberg, Petr Szczepanik, Ramón Reichert, Mats Björkin, Yvonne Zimmermann, Martin Loiperdinger, Michèle Lagny u.aweiterlesen