Vorwort Nichts ist so spannend, wie das Leben selbst. Mit diesem Satz möchte ich Ihnen, liebe Leser*innen, die Tür zu diesem besonderen Buch öffnen. Warum ist es besonders? Nun, die folgenden Geschichten haben Potential, aus mehreren Gründen besonders zu sein. Warum? In einem Interview vor einem Vortrag, den ich vor Mitgliedern eines Frauennetzwerks hielt, wurde ich gefragt: „Wann ist für Sie eine Frau eine starke Frau?“ Ich musste über diese Frage einen Moment lang nachdenken. Seit über 17 Jahren arbeite ich als Coachin, Trainerin und Beraterin mit Menschen. Davon sind circa 98 % Frauen. Circa 5500 Frauen habe ich in Persönlichkeitsprozessen begleitet. All diese Frauen haben sich in Seminaren reflektiert, sich im Coaching weiterentwickelt, sich hinterfragt und an sich gearbeitet. Viele dieser Frauen waren traumatisiert. Viele dieser Frauen stellten sich selbst in Frage. Sie nahmen sich mit ihren persönlichen Bedürfnissen und ihrer beruflichen Karriere für Familie und Partner zurück. Einige von ihnen leugneten ihre tiefsten Wünsche und Sehnsüchte, nur um andere nicht in Frage zu stellen und damit ihren Kindern finanzielle Sicherheit zu bieten. All diese Frauen hatten hohe emotionale Kompetenzen, hohe Bindungsfähigkeiten und die Fähigkeit, sich selbst hintenanzustellen, damit ihre Kinder und auch teilweise Partner ihren Weg gehen konnten. Viele dieser Frauen waren kräftemäßig am Ende und ließen es sich nicht anmerken. Frauen verließen ihre Partner und mussten sich alleinerziehend damit auseinandersetzen, was dies auch heute noch in unserer Gesellschaft bedeutet. In meinen Coachings und Seminaren begegnete ich ausschließlich Frauen, die sich weiterentwickeln wollten, die verstehen wollten, die hinterfragten und nach Lösungen suchten. Die Frage, die mir in dem Interview gestellt wurde, irritierte mich zutiefst. Vor allem auch deshalb, weil sie mir von einer Frau gestellt wurde. Wann ist eine Frau eine starke Frau? Durch diese Frage wurde mir noch mehr bewusst, wie tief das Bild einer „schwachen“ Frau in unserer Gesellschaft verankert ist. Noch nie ist mir die Frage begegnet, wann ein Mann ein starker Mann ist. Dass es aber offensichtlich „starke“ und „schwache“ Frauen gibt, ist in den Köpfen der Menschen tief verwurzelt. Mir sind in all den Jahren, in denen ich intensiv mit Frauen gearbeitet habe, nur starke Frauen begegnet. Frauen wurden geschwächt durch äußere Bedingungen, durch emotionale oder wirtschaftliche Abhängigkeiten, durch Rollenbilder, in die sie gedrängt wurden, durch Karriere-Ecken, aus denen sie nicht mehr herausdurften. Aber selbst in diesen Momenten, in denen sie geschwächt wurden, waren diese Frauen stark. Mir sind ausschließlich Frauen begegnet, die selbst in ihrer Schwäche noch stark waren. Warum also ist es in unserer Gesellschaft noch so aktuell, dass es schwache Frauen gibt? Wie lange ist es her, dass Tausende von Frauen aufgrund ihrer Klugheit und aufgrund ihres Wissens auf Scheiterhaufen verbrannt wurden? Und wie kämpfen heute noch junge Frauen im patriarchischen Unternehmen dafür, dass ihre kluge Meinung wirklich akzeptiert und nicht nur geduldet wird? Frauen werden auch heute noch diskriminiert und benachteiligt, auch wenn dies in der Öffentlichkeit nicht offen und ehrlich kommuniziert wird. Auch ich kenne die Unterdrückung der Frau aus meiner Herkunftsfamilie, in der der Mann in der Familie offen schwerste Gewalt lebte, einfach nur, weil er dazu körperlich in der Lage war. Die Unterdrückung der Frauen in Familien findet auch heute noch statt, zusätzlich werden über die Medien Bilder und Meinungen darüber vermittelt, wie Frauen zu sein haben und wie möglichst nicht. In all diesen Realitäten versuchen Frauen ihren Weg zu gehen, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln, für sich und ihre Kinder zu sorgen, diese Welt mitzugestalten und sich aus alten Mustern und Bildern zu befreien. All die Frauen, die mir begegnet sind, sind starke Frauen. Frauen, die es verdient haben, dass über sie geschrieben wird. Frauen, die es verdient haben, dass ihre wahre Geschichte erzählt wird. Frauen, denen selbst nicht klar ist, wie stark sie eigentlich sind. Und nun kommen wir zu der Besonderheit dieses Buches. Alle Geschichten darin sind wahr und tatsächlich passiert – bis auf eine einzige. Diese eine einzige Geschichte hat als Traum ihren Weg in mein Buch gefunden. Wohlgemerkt war dies nicht mein Traum, sondern der Traum einer Klientin. Alle anderen Geschichten sind tatsächlich passiert. Klientinnen, die ich als Coachin begleitet habe, oder auch mir selbst. Ich habe diesen Geschichten, die das Leben schrieb, einen literarischen Mantel gegeben. Die Wahrhaftigkeit dieser Geschichten, die Frauenleben in ihrer Vielfalt widerspiegeln, macht dieses Buch so besonders. Und noch etwas macht dieses Buch einzigartig. Drei der darin enthaltenden Geschichten wurden bereits vor Veröffentlichung prämiert. Die Geschichte „Allein“ gewann bei einem Wettbewerb des RG Fischer Verlags und erschien 2020 in der Anthologie „Im Zaubergarten der Worte“. Den zweiten Platz des Kunsthauses Lisa e.V. erhielt die Geschichte „Der Lippenstift“. „Der Weg“ wurde im Dezember 2021 mit dem 3. Platz des Literaturwettbewerbes Nordost 2020 prämiert. Besonders die letzte Auszeichnung macht mich sehr stolz. Die Geschichte „Der Weg“ zeigt auf besonders intensive Art und Weise die Komplexität weiblicher Empfindungen und die Ambivalenz von Situationen, die vor allem Frauen begegnen. Dieses Buch soll Mut machen. Es soll einen Einblick in die Vielfalt von Frauenleben geben. Es soll die unterschiedlichen Farben zeigen, die Frauenleben zeichnen. Es soll alle Frauen umarmen, die gelebten Geschichten feiern und ehren. Es soll die Vielschichtigkeit von weiblichen Persönlichkeiten zeigen, ihre Kraft und ihre Fähigkeit, Liebe zu geben. Ihre Rolle als Gebärende möchte ich feiern, genauso wie ihre Fähigkeit, Lust zu empfinden. Ihre Klugheit und Sensibilität, ihre Tiefe und Spiritualität, ihre Ambivalenz und ihre Klarheit – all die kostbaren Wesenszüge, die Frauen zu eigen sind. Denn Frauen folgen ganz eigenen Wegen in ihrem Leben. Frauenwege eben.weiterlesen