Sehr früh, im Überschwang der 1789er Revolution, feierte der junge Hölderlin in glühenden Hymnen die hehren Ideale und den „Genius der Jugend“. Diese Stimme konnten weder die unmenschliche Behandlung in einer Klinik, noch die schändlichsten Gerüchte und auch nicht die unerbittliche Zensur der Restaurationszeit endgültig zum Schweigen bringen. Dies dokumentiert die vorliegende Untersuchung. Sie belegt zunächst, dass von der über hundert Jahre lang unveröffentlicht gebliebenen und heute noch weitgehend ignorierten Vanini-Ode über das erst 1986 publizierte Homburger Folioheft bis zu den pauschal als Krankheitssymptome abgetanen Spätgedichten manche Aspekte von Hölderlins Denken und Dichten bislang so gut wie unerforscht geblieben sind.
Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, das Augenmerk auf diese unbeachteten Aspekte zu richten, um dem Dichterwort in der vollständigen Tragweite seiner ursprünglichen Botschaft gerecht zu werden. Denn diese Botschaft ist damals nicht ungehört verhallt. Sie fand sogar, entgegen den meisten Darstellungen, auch in den letzten 37 Jahren von Hölderlins Leben bei der jungen Vormärz-Generation beachtlichen Nachhall. Heines überraschende Gedankennähe, die Idealismus-Kritik der Junghegelianer, die Jungdeutschen mit ihren beredten Anspielungen und schließlich selbst die akademische Jugend in Tübingen, alle bekunden die gleiche Bewunderung für den alten „Dichter und Philosophen“ mit „Silberlocke“ und „jugendlichem Herzen“. Denn weit davon entfernt, ein armer Irrer zu sein, wie er in abwertenden, über Generationen fortgeschriebenen Urteilen immer wieder beschrieben wurde, hat sich Hölderlin unermüdlich auf die Seite der Jugend geschlagen, so überzeugt war er davon, dass nur „Jünglinge“ die eigentlichen Triebkräfte der Geschichte wären, und dass sie die Menschheit auf den Weg zu einem neuen Leben bringen würden, zu einem bevorstehenden „Frühling“, der jedoch erst nach seinem Tod eintraf und 1848 unter dem Namen „Frühling der Völker“ in die Geschichte einging.weiterlesen