Gesammelte Werke und Tagebücher / Kleine Schriften 1848/49
21. und 23. Abteilung
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Seit dem Corsarenstreit 1846 rang Kierkegaard um die Frage, ob er berechtigt sei, an Kirche und Christenheit seiner Zeit wegen ihres Versagens gegenüber der den Christen gestellten Aufgabe öffentlich Kritik vorzubringen. Zwei wichtige Dokumente dieses Reflexionskampfes sind die in diesem Band wiedergegebenen Aufsätze: "Hat ein Mensch das Recht, sich für die Wahrheit totschlagen zu lassen?" und "Über den Unterschied zwischen einem Genie und einem Apostel". Im erstgenannten Aufsatz ist es erstaunlich, wie eng die Schranken sind, die zu ziehen er sich entgegen seiner eigenen Neigung zwingt: "Indem Kierkegaard es ablehnt, den pietistischen Begriff vom Heiden, der ein Christ scheint, zur Rechtfertigung der Erneuerung des altkirchlichen Märtyrerchristentums zu verwenden, setzt er dem eigenen Angriff auf die Christenheit, der in ihm schon schwelt, mit harter intellektuell-ethischer Reflexion eine Grenze." (E. Hirsch in der Einleitung) Der zweite Aufsatz ist entstanden in einer längeren inneren Auseinandersetzung mit Magister Adler, der neue angeblich christliche Lehraussagen öffentlich als verbindlich behauptete und sich dafür auf eine persönliche Offenbarung berief (das Hauptdokument dazu: 36. Abteilung der "Gesammelten Werke"). An ihm hatte Kierkegaard das Beispiel einer tiefgreifenden Kirchenkritik auf Grund persönlicher Überzeugung - die sich in diesem Fall als irreführend erwies - unmittelbar vor Augen; so suchte er an diesem Beispiel darüber zur Klarheit zu kommen, worauf die Vollmacht beruht, eine derartige Kritik öffentlich geltend zu machen. "Es geht Kierkegaard darum, die innere Berufung, die zum vollmächtigen Zeugnis für die Wahrheit des Christlichen unentbehrlich ist, deutlich zu scheiden von der bezaubernden Macht außerordentlicher menschlicher Geistesgaben. Der dunkle Punkt. liegt nun aber darin, daß die innerlich wahre Unterscheidung des Apostels vom Genie Kierkegaard dazu verführt, das Christsein des Apostels als besonderen autoritativen Offenbarungsträgers einerseits und das Christsein des schlichten Christen. als zwei völlig heterogene Arten christlicher Existenz zu verstehen. Aus dieser Verwirrung der Frage erwachsen ihm alle inneren Kämpfe und Hemmungen der späteren Jahre, und erst im letzten Streit hat er es sich abgewonnen, die Vollmacht des schlichten, keine besonderen Offenbarungserlebnisse kennenden Christen zu bejahen." (E. Hirsch a.a.O.) - Die drei "frommen Reden": "Die Lilie auf dem Felde und der Vogel unter dem Himmel", sind besonders schöne Beispiele seiner großen Dichtergabe, "in denen wirklich die Poesie die Hochzeitskleider trägt". Zugleich hat Kierkegaard in ihnen große Mühe daran gesetzt "so viel wie möglich vom wesentlichen Gehalt christlich frommen Lebens zum Ausdruck zu bringen." Sie bieten auch "die entscheidende Klärung über das Verhältnis., in welchem für Kierkegaard die eigentümlich christliche Religiosität (die Religiosität B) zu der allgemein menschlichen, auf Gehorsam und Anbetung im Gotterleiden gerichteten Religiosität (der Religiosität A) steht. Die drei frommen Reden sprechen unter bewußter Ausschaltung der Frage von Schuld und Vergebung rein und unbefangen die Religiosität A aus. Dabei aber erklären sie, daß eben diese Art der Frömmigkeit uns vom Evangelium geboten sei als Gestalt unseres täglichen Lebens mit und vor Gott, und daß das Vaterunser in allen seinen Bitten, abgesehen von der fünften, nichts als ein Ausdruck dieser Frömmigkeit sei. Es ergibt sich somit zwingend, daß Kierkegaard an eine totale innere Verschmelzung der in Schuld und Vergebung ihre Tiefe habenden Religiosität B mit der Religiosität A zur Einheit eines einzigen frommen Lebens gedacht hat, daß ihm somit der christliche Weg durch Schuld und Vergebung hindurch nichts gewesen ist als der Weg zur echten Verwirklichung der im Menschlichen angelegten Sittlichkeit und Frömmigkeit." (E. Hirsch a.a.O.) - Außerdem bringt dieser Band mit der Artikelfolge: "Die Krise und eine Krise im Leben einer Schauspielerin" die letzte rein aesthetisch orientierte Veröffentlichung Kierkegaards, eine Huldigung für die von ihm bewunderte Schauspielerin Johanna Luise Heiberg, die im Alter von 35 Jahren noch einmal die als sehr jung vorzustellende Julia in Shakespeares "Romeo und Julia" gespielt hatte. "Die Feinheit der Huldigung. besteht. darin, daß Kierkegaard der Frau von 35 Jahren, die gewiß nicht ohne ernste Sorge in dieser einst ihren Ruhm begründenden Rolle der jugendlichen Liebhaberin noch einmal aufgetreten ist, es zu sagen sich getraut, daß diese ihre reife Julia gerade die wahre und echte Meisterleistung gewesen ist. Diese Galanterie aber wird dadurch zur inneren Wahrheit geadelt, daß Kierkegaard über die Metamorphose der Schauspielerin eine aesthetisch-philosophische Analyse gibt, die nun ihrerseits nur als ein Meisterstück bezeichnet werden kann." (E. Hirsch a.a.O.)weiterlesen
16,20 € inkl. MwSt.
kostenloser Versand
lieferbar - Lieferzeit 10-15 Werktage
zurück