Gynandria, ein sprechender Name, vereinigt in sich die beiden altgriechischen Worte für Frau und Mann. Die Botanik kennt gynandrische Blüten, wo die männlichen Staubblätter mit dem weiblichen Stempel fest verwachsen sind.
Für Péladan wird der Name zum Programm: Er schickt den jungen Mann Tammuz (chald. „Gott der Liebe“) auf eine Art Mission. Im Milieu der Pariser Frauenliebe wird er die weibliche Lust und insbesondere die lesbische Liebe ergründen. Ausgestattet mit einer eher androgynen Natur gelingt es Tammuz, das Vertrauen innerhalb der einzelnen Frauengruppen zu gewinnen. Doch nach und nach begegnen ihm neue Facetten der weiblichen Gefühlstiefe, die das Denken und die Empathie des Forschers an Grenzen führen.
Die sprachliche Sicherheit und Schönheit des Ausdrucks zeigt sich in diesem jüngeren Meisterroman Péladans omnipräsent. Gynandria weist den Dichter auch 120 Jahre später noch als mutigen Grenzüberschreiter und „Reformator der Liebe“ aus.
Die „Rolle der Frau“ in Péladans Werk mag der Moderne gegenüber sperrig anmuten dort, wo das „Weibliche“ romanhaft sakralisiert wirkt. Zugegeben schildert Gynandria – bei aller Wertschätzung – von einem männlichen Blickwinkel aus, der offen und vorurteilsbeladen zugleich bleiben muss.weiterlesen