'Der Mensch ist der einzigartige Begriff, von dem man ausgehen und auf den man alles zurückführen muss.' Diese 1755 von Diderot formulierte Formel bildet das innerste Axiom der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich bildenden Moderne.
Wolfgang Welsch bezeichnet es als das 'anthropische Prinzip': Der Mensch ist das sinngebende Prinzip von allem.
In der Kritik der reinen Vernunft (1781) hat Kant die umfassende und bis heute wirkmächtige Begründung dieses Prinzips gegeben: Weil alle Gegenstände, auf die wir uns beziehen, grundlegend durch die apriorischen Formen unseres Erkenntnisvermögens (Anschauungsformen und Kategorien) bestimmt sind, müssen sich 'die Gegenstände […] nach unserem Erkenntnis richten'. Wir können insgesamt 'nicht anders verfahren als […] zu anthropomorphisieren'. So bildet der Mensch in der Tat das Maß der Welt. Der Mensch ist nicht erst das sinngebende, sondern schon das gegenstandskonstituierende Prinzip der Welt. Das ist der ausschlaggebende Schritt. Kants theoretische Philosophie hat dem von Diderot ausgerufenen anthropischen Prinzip
seine perfekte epistemische Legitimation verliehen. Diderot hatte das Prinzip proklamiert, Kant hat es verbindlich gemacht.
Damit war es, zweihundertfünfzig Jahre nach der kosmischen Dezentrierung durch Kopernikus, zu einer epistemischen Rezentrierung des Menschen gekommen. Selbstverständlich blieb die Stellung des Menschen im Kosmos dezentral. Aber dem begegnete nun eine epistemische Rezentrierung. Hinsichtlich der Erkenntnis und schon hinsichtlich aller Erfahrung bildet der Mensch das Zentrum der Welt: alle Gegenstände der Welt sind menschlich konfiguriert, sind ein Reflex unserer Verfassung. Dieser neuartige Anthropozentrismus bildet fortan das tragende Prinzip der modernen Denkweise. Zwar gab es auch Ansätze zu einer Kritik dieser Denkweise, ja sogar engagierte Versuche, sie zu überwinden.
Doch all diese Ansätze haben schließlich die anthropische Bahn nicht verlassen, sondern allenfalls variantenreicher gemacht. So etwa Frege, Husserl, Heidegger und auch Foucault mit dem vielleicht fulminantesten Angriff auf die anthropische Denkform der Moderne – er, der als
der entschiedenste Kritiker der anthropischen Denkform angetreten war, wurde zu deren Erneuerer.
Aber das Befangensein in dieser Denkform lähmt unser Denken. Eine effiziente Kritik daran ist dringender denn je.
Eben dieser Aufgabe hat sich Wolfgang Welsch gestellt. Er deckt den eigentlichen Grund sowohl der Ausrufung wie der Verfehltheit des anthropischen Axioms auf: die Annahme
einer grundlegenden Disparität zwischen Mensch und Welt, einer essentiellen Weltfremdheit des Menschen.
– Mit Homo mundanus legt er eine ebenso umfassende wie fundierte Kritik des anthropischen Prinzips vor.weiterlesen