Hüllen - Nester - Sehnsuchtsorte
Selbstfürsorge in der Kunsttherapie
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Während der Arbeiten an dieser Ausgabe zum Schwerpunktthema Selbstfürsorge
sah ich eine Reportage über Finnland und erfuhr, dass Finnland
weltweit die glücklichste Bevölkerung habe. In einer der Filmszenen stand
eine Gruppe Finnen in ländlicher Region im Garten vor einem Haus um ein
Feuer versammelt, alle mit einem großen Kaffeebecher in der Hand. Gefragt
nach ihrer Lebenszufriedenheit antwortete einer für alle sprechend, dass es
nicht um Glück ginge, sondern um Zufriedenheit – und zufrieden, ja, das
seien sie. Lachend ergänzte er, dass sie alle gerne Kaffee trinken, mindestens
acht Becher am Tag. Ob ich das mit dem Kaffee auch mal ausprobieren sollte,
fragte ich mich, oder vielleicht das Kartenset mit den Achtsamkeitsimpulsen
nutzen und eine der Karten ziehen sollte? Als ich es geschenkt bekam, hatte
ich es beiseitegelegt, habe trotz aller Skepsis aber schon mal die eine oder
andere Karte gezogen und gemerkt, dass einzelne Vorschläge eine wohltuende
Wirkung haben. Zumindest für den Moment. Was meine Skepsis nährt,
sind allerdings die Verheißungen: Mehr innere Ruhe, Stressabbau, Glück
und mehr Selbstliebe versprechen sie mir, ja sogar, dass ich heiterer durchs
Leben käme. – Ob die Finnen vielleicht alle in ihren Taschen so ein Kartenset
haben? Worauf beruht es, dass Finnland zum siebten Mal in Folge im
World Happiness Report der UN als das Land mit der glücklichsten Bevölkerung
der Welt gilt?
Der seit 2012 jährlich veröffentlichte Report basiert auf weltweit erhobenen
Daten zu Themen, die für Lebensqualität und individuelles Wohlbefinden
Relevanz besitzen (Gallup World Poll; OECD Better Life Index). Dass zu
diesen Themenbereichen u.a. auch „Beschäftigung“ und „Work-Life-Balance“
gehören, überrascht nicht: „Die Anforderungen der veränderten und globalisierten
(Arbeits-)welt bleiben nicht ohne Folgen für die Gesundheit der
Personen“, stellen Keupp und Dill heraus und verweisen auf den enormen
Anstieg der Zahl an Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Belastungen
(1). Angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche mit ihren Auswirkungen
auf alle Lebensbereiche haben Themen wie Achtsamkeit und Selbstfürsorge
zunehmend mehr Aufmerksamkeit sowohl in der Bevölkerung als
auch in der Forschung erhalten. Simon Schindler spricht sogar vom „Achtsamkeits-
Hype“ (2). Die Ergebnisse seiner Untersuchung zum aktuellen For8
schungsstand zeigen, dass positive Wirkungen von Achtsamkeitsinterventionen
zwar „tatsächlich durch empirische Studien gestützt werden“, jedoch
ein weiterer Forschungsbedarf bestehe, da „valide Aussagen über tatsächliche
Effekte nach wie vor nur begrenzt möglich sind“ (ebd.).
„Reicht es mehr „Selbstsorge“ oder „Achtsamkeit“ zu empfehlen?“ – fragt
Heiner Keupp (3) und beantwortet die Frage selbst, indem er für eine
„nachhaltige Selbstsorge, einen bedachtsamen Umgang mit den je eigenen
Ressourcen und eine neue Selbstbestimmung“ plädiert (1). Dabei erhält die
Selbstsorge mit dem Wort „nachhaltig“ eine für Keupp – neben der Arbeit
an sich selbst – unverzichtbare Erweiterung. Gemeint ist Partizipation, um
zur Veränderung belastender oder einengender gesellschaftlicher Strukturen
beizutragen. Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen und die berufliche
Identität von Kunsttherapeutinnen und Kunsttherapeuten, lassen sich ohne
Mühe eine Reihe belastender Aspekte aufzählen, z.B. die Entkoppelung von
Einsatz und Erfolg wie auch die Entkoppelung von Expertise und Anerkennung.
Insbesondere muss berufliche Anerkennung der Kunsttherapie auch
gesellschaftlich im Gesundheitssystem verankert sein. Bleibt diese aus, stellt
ihr Fehlen ein Krankheitsrisiko dar. Ganz im Sinne der Selbstfürsorge lohnt
es sich also, achtsam solche Strukturen wahrzunehmen und sich in beruflichen
Netzwerken, Arbeitsgemeinschaften und Verbänden zu engagieren.
Aus dem Vorwort von Marion Wendlandt-Baumeisterweiterlesen
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