Im 18. Jahrhundert kursierte eine weithin bekannte Anekdote über Hugo Grotius, einem der Gründungsväter des Völkerrechts: Während eines Religionsstreits, der sich zu einem Volksaufstand ausweitet, wird Grotius zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Mit Hilfe seiner Frau gelingt es ihm, in einer Bücherkiste versteckt, aus der Haft zu fliehen. Um 1802 arbeitete August von Kotzebue (1761 – 1819) diese Anekdote zu einem »Schauspiel in vier Aufzügen« aus und veränderte die historische Vorlage dabei in vielerlei Hinsicht: Er erfand einen misslingenden ersten Fluchtversuch, reicherte die Figurenkonstellation durch einen erfundenen Stiefsohn Moritz Helderbusch an – vor allem aber ließ er seinen Grotius entgegen der historischen Wahrheit nach der Flucht zurückkehren. Kotzebue hielt Hugo Grotius für eines seiner besten Theaterstücke. Aber nicht nur die Berliner Uraufführung im Februar 1803 – mit Iffland in der Titelrolle –, sondern auch weitere Aufführungen des Stückes gerieten zum, für Kotzebue seltenen, Misserfolg. Publikum und Kritik waren irritiert davon, dass Kotzebue im Unklaren ließ, wer denn nun eigentlich der Protagonist des Stückes sei: Hugo Grotius? Sein Stiefsohn? Seine Frau? Das Nachwort rekonstruiert die dramaturgischen Entscheidungen, die Kotzebue auf dem Weg von der Anekdote zum abendfüllenden Schauspiel getroffen hat und sucht nach den Gründen, warum Kotzebue der Publikumserfolg diesmal versagt blieb.weiterlesen