Husserl und der frühe Positivismus
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Es gibt eine abgründige Spannung von Sehen-Wollen und Leben-Können, von Neugierde und Selbsterhaltung, von Evidenz und Existenz. Aus dem Leben in dieser Spannung und dem Leiden an ihr erwächst Husserls Phänomenologie. Darin aber weiß er sich verwandt mit der Philosophie des frühen Positivismus, wie sie um 1900 im deutschen Sprachraum von Ernst Mach und Richard Avenarius repräsentiert wird. Mit Mach sieht sich Husserl lange von einem Grenzwert höchster Evidenz angezogen: dem Augenblick reiner Empfindung, in dem das Bewußtsein nichts wäre als ein momentanes Aufblitzen, ichlos und aller Gegenstände ledig; gegen solche destruktiven Neigungen, gegen Mach und sich selbst, erarbeitet Husserl sein Konzept der Intentionalität: sie wird zum Prinzip der Selbsterhaltung des Bewußtseins, freilich auch zum Inbegriff unerläßlicher Evidenztrübungen.
Vor der Konsequenz Machs schreckt Husserl zurück, über die Avenarius' geht er hinaus: Als letztes und tiefstes Vorurteil hat Avenarius in seinem "natürlichen Weltbegriff", Präfiguration der "Lebenswelt", den Glauben an die Existenz der Welt unangetastet gelassen. Das positivistische Projekt der Herstellung einer vorurteilsfreien "reinen Erfahrung" vollendet die Phänomenologie mit der Reduktion als der Ausschaltung des "Seinsglaubens". Der transzendentale Idealismus aber, zu dem Husserl - mit dem Positivismus gegen den Positivismus - gelangt, ist nicht Resultat einer vom 'Einfluß' Paul Natorps ausgelösten 'Wende', sondern Ergebnis einer schrittweisen und stetigen Selbstaufklärung: Ein unbegriffener und insofern 'naiver Idealismus' gehört, das lehrt die Kritik Gottlob Freges, schon zur Signatur von Husserls philosophischen Anfängen.weiterlesen
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