Ich träumte, ich wäre Oma Erna
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Sie war meine Lieblingsoma, Zeit ihres langen Lebens eine taffe Frau. Erna ist über neunzig geworden, war aber keineswegs plemplem.
Sie ist mit dem Hubschrauber geflogen, mitgeflogen meine ich. Sie kletterte immer noch auf Bäume bei der Jagd nach Misteln und Lindenblüten. Auf der Straße hat sie drei Aktivisten der nationalen Szene mal die Ohren lang gezogen, verbal natürlich nur.
Nun ist sie schon ein paar Jahre unter der Erde, an ihrem Lieblingsplatz. Ich unterhalte mich gern mit ihr dort unter der Weide. Wir sind eben auf einer Welle. Neulich bat sie mich, ihr die neue Zeit zu erklären. Das würde sie schon noch allzu gerne wissen. Aber nicht die großen Dinge, nein. Der Alltag, wie sei der jetzt. Sie war wirklich unwahrscheinlich klug. Ich erinnere mich, als sie einmal sagte: Die kleinen Dinge bestimmen dein Leben, die großen währen ja immer nur Momente.
Wie sei es denn jetzt?
Fahren alle mit dem Auto zur Arbeit, hat jeder eine Fernbedienung oder muss man immer noch zu Fuß bis zum Fernseher gehen? Gibt es denn überhaupt noch Fahrräder? Kann jeder seine Meinung sagen, wird im Fernsehen immer noch so viel gelogen, stehen die Kartoffeln dieses Jahr gut … Gibt es denn jetzt genug öffentliche Toiletten, saubere versteht sich?
Das war ihr Lieblingsthema. Sie sagte immer, Junge – an den öffentlichen Sch…häusern erkennt man ein Kulturvolk. Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich antworten sollte. Habe alles fein säuberlich notiert und ihr versprochen, jede Frage gewissenhaft zu beleuchten.
Nun habe ich alles aufgeschrieben und bin auf dem Wege zu ihr. Aufgeregt, na klar.
Erna hat mir viele Tage aufmerksam zugehört. Manchmal mit den Augen gerollt, auch gelacht.
Dann nahm sie mich beiseite, hakte sich ein und bemerkte beiläufig:
„Junge, Du spinnst doch, das ist doch nicht die neue Zeit.“weiterlesen
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