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In mich ist eine Freiheit eingewebt

Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)

Ausschnitte aus dem Nachwort von Konrad Dietzfelbinger Die Gedichte „In mich ist eine Freiheit eingewebt“ bilden eine innere Einheit. Sie schildern einen inneren Entwick-lungsweg. Insofern unterscheiden sie sich vom größten Teil der herkömm-lichen Lyrik. Zwar greifen sie deren In-halte auf, Befindlichkeit des Ich, Ver-hältnis von Mensch und Mitmensch, Mensch und Welt, Mensch und Gott. Aber sie tun es unter einer besonderen Perspektive, wodurch das Bekannte unter neuem Licht und Vorzeichen, be-zogen auf ein neues Ziel, erscheint. Sie beschreiben die Erfahrungen eines Men-schen, der im Alltag von einem vor-läufig nicht identifizierbaren Anruf ge-troffen wird: dem Ruf zu einer neuen Existenzmöglichkeit. Darin sind gleich-zeitig drei Stimmen zu unterscheiden. Erstens ahnt dieser Mensch: „in mich ist eine Freiheit eingewebt“, eine neue Exis-tenzmöglichkeit, frei von dem Zwang der Vorurteile und Leidenschaften, im Einklang mit einer Daseinsordnung, aus der dieser Ruf stammt. Zweitens erkennt dieser Mensch: im Vergleich zu der neuen Existenz-möglichkeit bin ich meinem ganzen Wesen und Leben nach „geknechtet“. Drittens fühlt er die Aufforderung: „das kann sich ändern“, das heißt er sieht die Möglichkeit des Verschwindens der Knechtschaft und des Auflebens der Freiheit. Die Gedichte dokumentieren nun die Veränderung, die sich als Antwort auf diesen Ruf ergibt: schrittweise kommt das wahre innere Wesen des Menschen, die Freiheit, zum Vorschein, und in die-sem enthüllt sich auch das wahre Wesen der Dinge. Das ist ein nüchterner, gleichwohl alle Kräfte und Aufmerk-samkeit in Anspruch nehmender innerer Weg, auf dem das „Notwendige“ ge-schieht, nicht das Beabsichtigte oder Er-wünschte: „dort ist es still“. Am deutlichsten wird der Charakter der Knechtschaft in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Denn hier zeigt sich die Störung am krassesten, die entsteht, wenn der Mensch nicht aus der ihm „eingewebten“ Freiheit lebt. Hier sind die beiden Pole des Daseins, berufen, in Freiheit zusammenzuarbeiten, am wei-testen aus dem Gleichgewicht geraten. Eine harmonische Zusammenarbeit könnte nur gelingen, wenn beide Pole der Beziehung Mann und Frau aus der Ordnung der Freiheit, aus der „Not-wendigkeit“ leben oder wenigstens auf diese Ordnung als Ziel hinleben wür-den. In Wirklichkeit aber haben sich beide Pole entsprechend ihrer jeweiligen Vorstellungen und Motive verselbstän-digt, und dadurch entsteht Kampf. Jeder erwartet vom anderen die Erfüllung seiner Vorstellungen und Wünsche, ja oft Befriedigung der innersten Sehn-sucht nach wahrer Freiheit: eine Un-möglichkeit! Jeder versucht dann, den anderen nach seinem Bild zu formen: „Du willst mich auf dein Maß? Wohlan.“ Dieser Kampf endet entwe-der in der Unterwerfung des einen unter den anderen oder in einem unaufhör-lich zu erringenden Ausgleich der Ge-gensätze. Wer aber die Möglichkeit einer exis-tentiellen Freiheit spürt, empfindet als Knechtschaft sowohl Unterwerfung als auch Herrschaft, ja sogar ein Leben, das ganz den eigenen Interessen und Wünschen folgen könnte, wäre für ihn Knechtschaft. Die Knechtschaft liegt in der Abhängigkeit von Vorstellungen und Wünschen überhaupt. Der Rahmen der Erfahrung der Knecht-schaft weitet sich im Fortgang der Ge-dichte ins Gesellschaftliche. Wie in der Geschlechterbeziehung die Menschen ein vage geahntes Ziel der Erfüllung auf den anderen Partner projizieren, so wird es dort auf eine Schimäre projiziert: den Fortschritt. Er kleidet sich in verschie-dene Gewänder – Technik, Wissen, Wohlstand, und jeder versucht so viel Macht wie möglich zu gewinnen, um seine Vorstellungen von Fortschritt zu verwirklichen. Herrschaft und Unter-werfung also in großem Stil – die Knechtschaft unter Motiven und Vor-stellungen durchdringt die ganze Welt. Diese nüchterne Erfahrung und Er-kenntnis drängt sich dem Menschen auf, der von der Möglichkeit wahrer Freiheit berührt ist. Aber so wie die Verstrickung des eige-nen Wesens in diese Verhältnisse vor dem Horizont einer neuen Freiheit wie in einem Spiegel sichtbar wird, begin-nen diese neuen Kräfte der Freiheit auch direkt zu wirken. Sie legen Verschüt-tetes frei, Erinnerungen aus der Kind-heit werden wach, aus einer Zeit, in der es noch Unbefangenheit und Reinheit gab. Die Kindheitserinnerungen sind jetzt Vorboten der neuen Möglichkeit, ein Trost inmitten der Verstrickung, ein Raum, der sich öffnet. Er wird, wenn der Mensch nicht in sei-nen Erinnerungen hängen bleibt und sich der Herausforderung durch die „eingewebte“ Freiheit stellt, durch neue Erfahrungen ausgefüllt, die sich als in innerem Kampf errungene Einsichten darstellen – Einsichten, die nicht mit dem Intellekt allein, sondern mit dem ganzen Wesen erobert sind. Dann gilt es, die Fesseln der Knecht-schaft zu lösen, den andringenden Ver-lockungen und Gewalten, den „Dämo-nen“, die zu Knechtschaft führen, stand-zuhalten, inmitten der Kreisläufe und Radumdrehungen still und stark zu bleiben und sich durch nichts von den Kräften der Freiheit trennen zu lassen. Es handelt sich hier nicht um die ener-gische Eroberung einer Position der Un-angreifbarkeit, sondern um eine Auf-lösung aller Energien der Wünsche und Absichten in einer neuen lebendigen Ruhe. Wie japanische Haikus muten die Ge-dichte an. In knappsten Linien werden Erfahrungen nachgezeichnet, werden Gesetzmäßigkeiten und Kräftespiele ab-gebildet, die auf dem geistigen Weg zu allen Zeiten in immer wieder neuen For-men aufgetaucht sind. Der Künstler hat eine besondere Mög-lichkeit, die unvollkommene Wirklich-keit zu beobachten, das Vollkommene in ihr zu bemerken und darüber zu stau-nen und es zu formulieren, was sich in ihm wie ein Wunder vollzieht: er „sitzt still, staunt und schreibt mit“. Aus: Christiane Sartori. „In mich ist eine Freiheit eingewebt“. Gekürzte Fassung des Nachwortsweiterlesen

Sprache(n): Deutsch

ISBN: 978-3-944410-05-0 / 978-3944410050 / 9783944410050

Verlag: Polasek, Christiana

Erscheinungsdatum: 30.09.2023

Seiten: 217

Auflage: 1

Autor(en): Jagi Christiana Polasek

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