Hufnagls lyrische Texte furchen durch die Nacht und suchen doch das Licht, das der in Berlin lebende Dichter selbst gern auch mal aussperrt, wenn die Sonne ihm die Nacht zu früh verkürzt.
Der Rhythmus, die Themen und das heroisch Zarte erinnern durchaus an die Beats der 1950er. Sein Sound klingt modern urban, nach Chelsea Hotel & besserem HipHop - ist reich assoziativ und außerdem noch kritisch, durchsetzt mit der Sehnsucht nach der Schönheit durch die bloße Existenz.
Mal sind die Texte Texte, mal sind sie zudem noch musikalisch. Hufnagl stellt Fragen nach dem Ich, und richtet sie ans Du. Die Sprache ist deutsch, englisch & in der Überschrift auch mal französisch – und lädt zum Interpretieren ein. Der Alltag wird laut angeschrien: Wo denn die radikale Liebe oder doch wenigstens der schöne Duft davon geblieben ist!? Heilig ist ihm nichts, nicht mal die schambenetzte Frühlingszeit. Bei Hufnagl räkeln sich Katzen auf nachtwarmen Dächern, während Möwen seine Sicht streifen, den Gin in der Hand, rastlos unterwegs am deutschlandfernen Meer. Die Freiheit liegt bei ihm stets zwischen Bahnsteig und Ankunft, nächtlichem Abgang und innerem Aufstieg.
Erlebtes in Berlin & Dresden geben sich inspirierend die Tickets in die Hand. Aber auch philosophische Gedanken, die verbrannte Nacht, der sonnige Strand, das tödliche Meer und immer wieder die Musik (Hufnagl war/ist auch Dj & Musikenthusiast) sind sprachlicher Sprengstoff in seinen Texten. Zudem gibt es ein Gedenkgedicht auf den verstorbenen Lyriker Nikolaus Dominik. Und auch das politische bleibt nicht außen vor! Ja wie denn auch, in diesen stürzenden Zeiten?
Hufnagl veröffentlicht mit „Interim. Gineitel Lichtorgeln.“ (Windlustverlag, Juli 2020) 36 Gedichte, die von 36 eigenen S/W-Fotografien begleitet werden, die die Texte unterstreichen, ergänzen oder erleuchten - wie Stroboskope die schnapsgebrannte Iris.
René Seim / Windlustverlagweiterlesen