Jacques Doillon, Autorenfilmer par excellence, ist einer der umstrittensten Regisseure des französischen Nachkriegskinos. Außer Frage steht die bemerkenswerte Qualität seiner Schauspielführung und Dialoge. Unter seiner Regie, in der für sie geschriebenen Sprache, erobern sich Darsteller, Laien wie Profis, eine atemberaubende Freiheit im Ausdruck. Sie werden in den Rollen in ihrem Eigensinn, ihrem unausgeschöpften Potential sichtbar. Überraschend daher die Empörung, mit der die Kritik oft Doillons Filmen begegnete. Der Vorwurf - Narzissmus - gründet in der in den Filmen immer markierten Position des Autors: Er ist es, der diesen Eigensinn so sehen will. In eindringlichen Analysen führt diese erste deutschsprachige Studie zu Doillon ins Zentrum des Werks und zugleich zu einer neuen Sicht der Nachkriegsfilmgeschichte. Der Blick auf eine 'Randfigur' des Kinos erlaubt, die bereits vermessene Landschaft des europäischen Autorenfilms neu entdecken. Der Mythos 'Nouvelle Vague' sowie die Mystifizierung eines 'Kinos des Köpers' werden gleichermassen aufgelöst. In erhellender Weise bezieht die Studie Analysen einzelner Filme auf zeitgenössische Positionen in Theater, Literatur, Malerei und Philosophie. Herzstück der Argumentation ist die Auseinandersetzung mit Theorien filmischer Autorschaft und filmischen Schauspiels. Erst durch die neue Verknüpfung beider wird die emotionale wie gedankliche Sprengkraft eines im offenen Prozess des Schauspiels gründenden Autorenkinos theoretisch artikulierbar. Der 'Fall eines Kinos für sich' (Karsten Witte über Doillon) erweist sich als Fall eines engagierten Kinos für und mit anderen, als Autoren- und Schauspielerkino, das sich den Fragen des Kinos stellt wie auch den Fragen seiner Zeit.weiterlesen