Jedes Jahr, wenn die Advents- und Weihnachtszeit naht, wenden sich die Gedanken und Empfindungen dem Weihnachtsgeschehen zu. Rund um die ganze Welt gedenken Millionen von Menschen der Geburt des Jesus Christus in Bethlehem. Im Stall zu Bethlehem – so kündet das innigste Bild des Weihnachtsgeschehens im Evangelium des Lukas – wird das Kind geboren, das den Namen Jesus tragen soll. Die ganze Innigkeit des Gemütes, die unschuldige Erwartung und Freude der Kinder, wenden sich voller Erwartung dem Weihnachtsgeschehen zu, dem mit Lichtern geschmückten Tannenbaum, der Krippe mit Maria und Josef und dem Jesuskind, den Liedern. Sie künden von der Geburt des Jesus von Nazareth, der der Christus-Träger werden sollte. Seit Jahrhunderten werden Weihnachtsspiele aufgeführt. Sie zeigen, wie den Hirten auf dem Feld die himmlischen Heerscharen erscheinen und sie das Kind in der Krippe im Stall zwischen Ochs und Esel finden und anbeten. Und im Dreikönigsspiel, nach der Geburtsgeschichte des Matthäus erscheinen die drei Weisen aus dem Morgenland, geführt von dem Stern von Bethlehem, der ihnen den Weg zum Haus der Geburt des Jesuskindes leitet. Aber immer schwerer wird es, Weihnachtsstimmung zu erleben. Was seit Jahrhunderten mit Herzensinnigkeit bedacht wurde, hat für viele Menschen der Gegenwart den Sinn verloren und keine andere Bedeutung mehr als ein paar freie Tage. Die alte Tradition trägt nicht weiter, ohne einen neuen Sinn in diesem größten Fest der Christenheit zu finden. Darin sah Rudolf Steiner seine Aufgabe, ein aus der Geisteswissenschaft begründetes neues Verständnis des Weihnachtsgeschehens in der Menschheit zu begründen, das mit den Osterereignissen im Mysterium von Golgatha gipfelt, dem Tod und der Auferstehung Christi. Über kein Gebiet der geistigen Forschung hat er mehr gesprochen. 1911 sprach er zum ersten Mal öffentlich von dem Geheimnis der zwei Jesusknaben, in den von ihm selber zur Schrift umgearbeiteten Vorträgen in Kopenhagen, Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, zuletzt sprach er darüber zwölf Jahre später, 1923, vor den Arbeitern am Bau des ersten Goetheanums. Im Laufe von fünf Jahren, 1909 bis 1914, entfaltete er die Erkenntnisse über die zwei Jesusknaben und insbesondere das Wesen jener Seele, die sich im nathanischen Jesusknaben verkörperte, den das Lukas-Evangelium schildert, an verschiedenen Orten für Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. Auf diesen Quellen beruht die folgende Darstellung.weiterlesen