Johannes Peter Hölzinger, Haus in Bad Nauheim
Produktform: Buch
Im Sommer 1978 zeigte die Bauwelt auf dem Umschlag
der Zeitschrift die Photographie eines ungewöhnlichen
Gebäudes. Lapidar wurde es den Lesern
als 'Wohnhaus mit Büro in Bad Nauheim' vorgestellt,
doch merkte man sogleich, daß es sich um ein gebautes
Manifest handelte. Zu sehen war eine streng
symmetrisch gegliederte, steil aufragende 'Fassade',
die Würde und Haltung signalisierte. Zudem schien sie
ohne Fenster auszukommen, was ihre strenge Eleganz
noch erhöhte. Hinzu kamen die auffallend schlanken,
scharfkantigen Wandelemente, die berückend grazil
wirkten, wenn nicht sogar zart und zerbrechlich – wie
aus Papier gefaltet. Denn lange bevor Gilles Deleuze
eine neue Generation ästhetisch ambitionierter Architekten
in seinen Bann schlug, praktizierte Johannes
Peter Hölzinger seine Faltungen mit großer Selbstverständlichkeit.
Aus architekturtheoretischer Perspektive betrachtet,
liegt in der Aufhebung des Gegensatzes von Aufriß
und Grundriß der originäre Beitrag Hölzingers zur
Geschichte der modernen Architektur. Sein Haus demonstriert
die präzise Übereinstimmung der Geometrie
des Inneren und des Äußeren. Darüber hinaus hat
Hölzinger in ihm den Anspruch auf Versöhnung von
Kunst und Leben eingelöst, indem er von Menschen
ausging, die bereit sind, ihre täglichen Verrichtungen
jederzeit in ein ästhetisches Verhalten einmünden zu
lassen, und die sich der rhythmischen Verengung und
Aufweitung des Raumes hingeben, in deren Sog man
sich durch das Haus bewegt – von unten nach oben,
wobei es immer heller und sonniger wird. Die mitreißende
Bewegung zum Licht, diese Dynamisierung
des Raumes und ihr synthetischer Effekt, das Getrennte
immer auch als Vereintes zu präsentieren,
verdienen im besten Sinne avantgardistisch genannt
zu werden.
Gerd de Bruyn wurde 2001 auf den Lehrstuhl für
Architekturtheorie der Universität Stuttgart berufen
und ist seitdem Direktor des Instituts Grundlagen
moderner Architektur und Entwerfen. Außerdem ist
er Direktoriumsmitglied des Internationalen Zentrums
für Kultur- und Technikforschung. Zuletzt erschienen
von ihm Fisch und Frosch oder Die Selbstkritik der
Moderne, Basel 2001, sowie architektur_theorie.doc.
Texte seit 1960 (zus. mit Stephan Trüby), Basel 2003.
Dieter Leistner studierte Kommunikationsdesign an
der Folkwangschule in Essen und an der Bergischen
Universität in Wuppertal. 1982 begann er seine freiberufliche
Tätigkeit als Architekturphotograph. Seit
1999 ist er zugleich Professor für Photographie an
der Fachhochschule Würzburg.weiterlesen