Der Philosoph Josef Pieper (1904–1997) sieht im christlichen Glauben nicht nur eine theologische, sondern auch eine philosophische Aufgabe. Nicht nur bei Philosophen, sondern auch bei Theologen stieß er damit auf Kritik. Nimmt er nicht dem Glauben seinen Charakter als Geschenk der Gnade, als ob man sich in ihn "hineindenken" könnte? Pieper hat die Enzyklika "Fides et Ratio" von Papst Johannes Paul II. (1998) auf seiner Seite. Dort heißt es: "Es ist illusorisch zu meinen, angesichts einer schwachen Vernunft besitze der Glaube größere Überzeugungskraft; im Gegenteil, er gerät in die ernsthafte Gefahr, auf Mythos bzw. Aberglauben verkürzt zu werden" (Nr. 48). In diesem Sinne verhilft Piepers Weigerung, sich als Theologen zu bezeichnen, der Vernunft erneut zu jener Stärke, die sie im Laufe der Geschichte gerade durch die Loslösung vom Gegenüber des Glaubens eingebüsst hat. Pieper unternimmt jene „Denkübung“, die "Fides et Ratio" ausdrücklich empfiehlt: „Der Glaube ist eine Art ‚Denkübung‘; die Vernunft nimmt sich durch ihre Zustimmung zu den Glaubensinhalten weder zurück noch erniedrigt sie sich; zu den Glaubensinhalten gelangt man in jedem Fall durch freie Entscheidung und das eigene Gewissen“ (Nr. 43). Am Ende des philosophischen Nachdenkens steht nicht zwangsläufig die Glaubensentscheidung, jedoch das Staunen über die Weite und Offenheit des menschlichen Geistes. Albert-Henri Kühlem zeichnet Piepers Denkübung des Glaubens nach und erweist deren existentielle Bedeutung und Aktualität.weiterlesen