Joseph I. (1678 - 1711) - Der außergewöhnliche Habsburger
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Kaiser Joseph I. wurde in der Beurteilung durch Historiker lange Zeit als jener Habsburger dargestellt, der gerne die Regierungsgeschäfte schleifen ließ und sich lieber seinen Vergnügungen hingab. Die hohe Intelligenz und sein Gespür für politische Situationen wurden ihm nicht abgesprochen, doch warf man ihm vor, alles zugunsten seiner Vergnügen aufgegeben zu haben. So sah man auch in seinem plötzlichen Tod, der durch eine Ansteckung mit Pocken eintrat, zu großen Leichtsinn im Umgang mit seinem Leben, da der Kaiser lieber auf die Jagd ging, anstatt auf sich und seine Gesundheit zu achten.
Ähnlich lautete auch der Vorwurf, dass er nur einen Sohn, der schon knapp ein Jahr nach seiner Geburt verstarb, zeugen konnte, da er seine Gattin mit einer Geschlechtskrankheit infizierte und sie so unfähig machte, weitere Kinder zu gebären.
Auch seine Unrast, politische Reformen auf den Weg zu bringen, kreidete man ihm gerne an. Zu schnell und scheinbar ohne Ziel löste Joseph I. Konferenzen auf, schuf neue Gremien und baute die Verwaltung um.
Was man dabei aber gerne übersah, ist der Umstand, dass Joseph I. wohl jener Habsburger war, der am besten für die Aufgaben eines Kaisers vorbereitet war, vermutlich der erste Vollblutpolitiker an der Spitze der Monarchie. Er konnte sich seine Jagdausflüge leisten, da er auf Männer vertrauen konnte, die Taten setzten und nicht zögerten. Seine Konferenzen waren durch offene Diskussionen durchdrungen, in denen der Kaiser mehr Schiedsrichter als selbstherrlicher Entscheidungsträger war. Schließlich waren seine Entscheidungen zum Wohle des Landes und trugen viel dazu bei, dass Österreich im Laufe des 18. Jahrhunderts zur Großmacht wurde.
Den Vorwurf der Untreue kann man ihm allerdings nicht ersparen. Nachdem er schon in jungen Jahren seine Wirkung auf Frauen erkannt hatte, wollte er sich diese Reize nicht entgehen lassen. Immerhin war Joseph I. nicht mit der typischen Habsburgerlippe gezeichnet, sondern sah nach Meinung von Zeitgenossen blendend aus. Er war groß, schlank, rotblond und hatte blaue Augen. Seine Eltern und deren Berater wählten ihm eine Gattin, die ihn besänftigen sollte, was ihr aber nie wirklich gelang. Nur für kurze Zeit schien es, als wäre die Ehe glücklich, dann suchte sich Joseph I. eine Geliebte. Anders aber als in Frankreich, wo königliche Mätressen beinahe schon die Funktion des Ersten Ministers einnahmen, sind derartige Allüren von Marianne Pálffy nicht überliefert. Joseph I. wollte sich von niemandem beeinflussen lassen, auch nicht von ihr. Sie hatte vielmehr die Aufgabe schön zu sein und den Kaiser zu erfreuen.
Tatsächlich gab es unter Joseph I. viele Gelegenheiten, ausgelassen zu feiern. Er erhob die barocke Lebensweise in Österreich zur Maxime. Seine Feste mussten so ausgelassen sein, dass sich Prinz Eugen zu einer diesbezüglichen Warnung an junge Offiziere vor dem Besuch eines solchen Festes hinreißen ließ.
Im Winter führte Joseph I. Schlittenfahrten durch die Stadt, zeigte sich dem Volk und gewann durch seine offene Art das Vertrauen und die Liebe seiner Untertanen. Was ihm hier gelang, sollte er auch bei Ministern und Gesandten fremder Staaten erreichen. Dies war deshalb auch notwendig, da er die gesamte Zeit seiner Regierung Krieg führen musste, einen Kampf gegen Frankreich, dessen König er von Anbeginn an regelrecht hasste. Schließlich hatte Ludwig XIV. zu viel Einfluss auf das Leben und die Stationen Josephs I. genommen, als dass eine friedliche Koexistenz möglich gewesen wäre. Ähnlich mussten die Gefühle des Kaisers gegenüber den Osmanen gewesen sein, die seine Zukunft und sein Heim bedrohten, als Joseph I. gerade einmal 5 Jahre alt war.
Dass sich aus all diesen Faktoren ein vielleicht etwas übertriebener Hunger nach „Leben“ in Form von Vergnügungen entwickelte, mag aus heutiger Sicht naheliegend sein. Und Joseph I. wollte leben, in jeder Beziehung. Nicht nur im Zusammenhang mit seinen zahlreichen Affären drückte sich dieser Wunsch aus, sondern auch in seinen Bauplänen für Schönbrunn und andere Lust- oder Jagdschlösser, für seine Visionen zur Neugestaltung Wiens und seinen unermüdlichen Einsatz für die schönen Künste.
Joseph I. war aber auch eingezwängt in das Korsett der Realität und musste Gruppierungen bedienen, denen er sich emotional nicht so verbunden fühlte, wie der katholischen Kirche. Da kam es ihm vermutlich nicht ungelegen, dass Karl XII. auf Religionsfreiheit in Schlesien bestand und Joseph I. die protestantischen Kirchen unterstützen musste.
Schon als junger Mann zeigte er mit seinem Temperament aber auch mit seinem Ehrgeiz jene Züge, die ihn als Kaiser auszeichnen sollten. Joseph I. war ein Grenzgänger und suchte jenen Punkt an dem er merkte, ab hier ging nichts mehr. Er reizte den Papst ebenso wie seine Verbündeten im Krieg, er hatte keine Scheu vor Konflikten, wich ihnen aber lieber aus, um sich und seine Lande nicht zu gefährden.
Gescheitert ist er zu Lebzeiten nur an der Erhaltung der spanischen Krone für seinen Bruder. Vermutlich war ihm daran auch nicht allzu viel gelegen, viel mehr wollte er noch einmal die Kaiserwürde im Reich wie auch in Italien wiederherstellen und setzte seine Truppen viel lieber in Ungarn und Siebenbürgen ein, um Österreich zu schützen.
Joseph I. dachte und handelte für Österreich, um sich hier ein geschlossenes Reich zu schaffen, das als mitteleuropäische Großmacht die Zukunft Europas mitbestimmen sollte. Der Kaiser wurde mit dem Beinamen „der Sieghafte“ bedacht und ein Großteil seiner Biographen waren Zeitgenossen oder lebten knapp nach dessen Regentschaft. Beachtenswert dabei ist, dass trotz der kurzen Regierungsdauer, der Umfang der Biographien zwischen 608 und 1.364 Seiten schwankt. Hierin spiegelten sich sicherlich die großen Hoffnungen, die die Menschen seiner Zeit auf den jungen Kaiser und dessen Beraterstab gesetzt hatten.weiterlesen
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