Joseph Mendelssohn (1770–1848), ältester Sohn des Berliner Aufklärungsphilosophen Moses Mendelssohn, ist als Gründer der bis 1938 bestehenden Mendelssohn-Bank eines der bedeutendsten Mitglieder dieser weitverzweigten Berliner Familie. In der Berliner Finanz- und Wirtschaftswelt hat er zu seiner Zeit eine maßgebliche Rolle gespielt. Doch ist aus der Zeit bis 1815 nur wenig über sein privates Leben bekannt. Umso interessanter ist ein bisher unbekanntes Tagebuch seiner zweimonatigen Badekur im Jahre 1812 in Warmbrunn in Schlesien. In diesen Aufzeichnungen schildert er seine Ausflüge in die Umgebung und ins Riesengebirge, die Wanderung zur Elbquelle und ebenso den zehntägigen Aufenthalt im Waldenburger Land. Dabei schweift er immer wieder in grundsätzliche Betrachtungen über Land und Leute, deren soziale Lage und in verallgemeinernde Betrachtungen ab. Darüber hinaus finden sich auch Notizen über seine Lektüre und Theaterbesuche. In den Aufzeichnungen über mehrtägige Ausflüge wird deutlich, mit welch erheblichen Unwägbarkeiten und Strapazen solche Wanderungen damals verbunden waren. Von besonderem Interesse sind immer wieder die Momente, in denen die herzlichen Beziehungen zu seinen beiden Söhnen erkennbar werden, seine Lebensanschauungen und seine Wertvorstellungen. So ergibt sich ein Bild von dem Menschen Joseph Mendelssohn und den verschiedensten Facetten seines Charakters, das in der Summe dieser Details so komprimiert nirgendwo sonst dokumentiert ist.
Das Autograph dieses Tagebuchs liegt in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. Es wird hier erstmals bekanntgemacht und in einer kritischen Edition vorgelegt, ergänzt um zeitgenössische Abbildungen, zwei Ausschnitte aus historischen Landkarten und Auszüge aus damaligen Landschafts- und Reisebeschreibungen.weiterlesen