journal culinaire. Kultur und Wissenschaft des Essens
No. 25: Obst und Gemüse haltbar machen
Produktform: Buch / Einband - flex.(Paperback)
Der Geschmack der Kindheit. Ein durchaus angenehmes, phantasiebeflügelndes Bild: Die liebevoll kochende Oma oder Mutter, das gemeinsame Essen am alten Küchentisch, die kuhwarme Milch, das frisch gebackene, knusprige Brot. Heile Welt eben: Früher war alles besser, zumindest unbeschwerter. Mit „Geschmack der Kindheit“ werden ein Lieblingsgericht oder ein Lebensmittel assoziiert, das wohlige Erinnerungen an die Kindheit aufruft. Etwas weniger romantisch betrachtet werden gelegentlich auch beklemmende Erinnerungen an Speisen wach, die nicht zu den geschätzten zählten. Ab und an wird mit dem Geschmack der Kindheit die Abwesenheit von heute üblichen Hilfsmitteln beim Kochen und Backen verbunden, ein scheinbar einfaches, naturgemäßes Tun, das einen eigenständigen Geschmack hervorzubringen in der Lage ist. Geschmack der Kindheit, das sind ebenso die kräftigen Schwaden, die vor allem beim Kochen von Kohl durch die Wohnung zogen. Es bleibt offen, ob Kinder „früher“ empfindsamer waren oder die kräftigen Düfte durch Anstrengungen der Pflanzenzüchtung und küchentechnische Ausstattungen wie der Dunstabzugshaube limitiert worden sind.
Manchmal erinnere ich eine einzigartige Aromenkombination, die ich bis in meine frühen Kindergartentage zurückverfolgen kann: Leberwurst auf dunklem, feinporigem Doppelbackbrot, dazu knackig-saftige, säuerliche Apfelstücke mit grüner Schale. Für den Bruchteil einer Sekunde steht diese Erinnerung mit größtmöglicher Präsenz, wie gerade geschmeckt, im Raum – um sofort wieder zu verblassen. Sie lässt sich weder herbeidenken oder -wünschen, noch ist sie an die tatsächliche Anwesenheit einer oder aller Aromen dieser Kombination gebunden. Schließlich und nicht zuletzt wird der „Geschmack der Kindheit“ herangezogen, um werdende Mütter daran zu erinnern, dass ihre Kinder schon im Fruchtwasser lernen, Aromen zu mögen, die ihre Mütter mit der Nahrung regelmäßig aufnehmen.
Wahrscheinlich zählt das Aneignen von Geschmäckern und Düften zu unseren größten Lebenslernleistungen mit einer durchaus soliden Verankerung in unserem Gedächtnis. Über die Funktion hinaus, uns vor Schädlichem zu bewahren, also gutes von schlechtem Essen zu trennen, lernen wir immer neu, was für uns ein Genuss ist und was nicht. Doch diese Art des Lernens wird meist unterschätzt. Nur wenn wir gegen unseren ursprünglichen Widerstand versuchen, etwas „gut schmeckend“ zu finden, rückt dieses Verfahren ins Bewusstsein – um nach erfolgreichem Lernen wieder ins weniger Bewusste abzusinken.
Beim Konservieren entstehen und entwickeln sich Aromen, die in der Natur nicht vorkommen. Konserviertes zu genießen bedarf also des geschmacklichen Lernens. Im Journal Culinaire No. 17 haben wir schon vor vier Jahren die alte und bewährte Konserviertechnik Fermentieren buchstäblich in den Fokus gerückt. Bewegung und Interesse sind seither nicht abgeflaut. Allenthalben wird die Frage nach dem Konservieren gerade von Obst und Gemüse gestellt. Es wird in kreativen privaten wie professionellen Küchen freudig experimentiert. Der immer wieder neu zu entdeckende und zu erarbeitende Reichtum an Aromen und Konsistenzen ist faszinierend.
Das Fermentieren ist nur eine von vielen Konserviertechniken. Die damit einhergehenden Veränderungen des Ausgangsmaterials erweitern unser ohnehin weites Spektrum des Essbaren. Es sind anschauliche, praktisch relevante und andauernde Beispiele für Kulturleistungen des Menschen, in denen sich Regionen, Landschaften, ganze Kontinente widerspiegeln.weiterlesen
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