Der Ansatz von bogevischs buero, die 2012 den Wettbewerb für die Neubauten gewannen, folgt einer ausbalancierten Gestaltungsphilosophie von Annäherung und Distanz. In der lockeren Verteilung der Solitäre im Parkraum folgen auch die Neubaureale städtebaulich dem Geist der Reformarchitektur. Allerdings brechen die neuen „Pavillons“ aus dem alten Raster aus. Verteilen sich die Ursprungsbauten doch längs einer mittigen „Geschlechterachse“ hinter dem Hauptgebäude. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Männer und Frauen in der Psychiatrie räumlich strikt getrennt, und das bildet sich in dieser Dichotomie ab. ... Und so stehen die neuen Wohnblöcke im Kontrast zum alten Plan leicht gegeneinander verschoben und dezent gedreht aus dem rechteckigen Winkelraster. Das platziert die Mehrfamilienhäuser auf der grünen Parkfläche eher wie ein Wurf aus dem Würfelbecher. Das wirkt spielerisch im Geist des Jugendstils und vermehrt die Blickbeziehungen in die Parklandschaft mit ihrem sanierten Bestand – und ohne Parkplätze, denn offiziell ist das baumreiche Quartier gleichzeitig Naherholungsgebiet für die Bürger Haars. Die sollen hier jederzeit spazieren gehen können, weswegen die Individualmobilität im Park konsequent in Tiefgaragen verbannt ist, und es auch nur an wenigen Stellen sehr zurückgenommene Privatgärten gibt. Auch bei der Fassadengestaltung ist die Annäherung an vorgefundene Themen deutlich, vermeidet aber zu buchstäbliche Anleihen. Alle im Gelände verteilten Baukörper verwenden dieselben stilistischen Komponenten und ähnliche Materialien. Dabei werden Motive der historischen Entwurfskultur aufgenommen. Es gibt Erker abgeschlossen mit Terrassen, flache Walmdächer und erhöhte Erdgeschosse. Doch die klar unterschiedene Formensprache belässt beide Epochen in ihrer Selbständigkeit und drückt so die Unterschiede in der Philosophie aus. ... (Till Briegleb)weiterlesen