Julius Goldstein
Der jüdische Philosoph in seinen Tagebüchern. 1873-1929 Hamburg - Jena - Darmstadt
Produktform: Buch / Einband - fest (Hardcover)
Der gebürtige Hamburger Julius Goldstein kam 1902 nach Darmstadt. Dort habilitierte sich der engagierte
Philosoph an der Technischen Hochschule. Seine Karriere hatte ihn von Berlin nach Jena und von da über
London in die kleine hessische Residenzstadt geführt. In fast 40 Jahren hat ihn ein Tagebuch auf seinem
Weg begleitet. Bis zu seinem Tod 1929 entstanden so nahezu zweitausend handschriftliche Seiten. Die
hier ausgewählten Texte dokumentieren die Schwierigkeiten eines deutsch-jüdischen Lebenswegs in
nichtjüdischer, mitunter antisemitischer Umgebung.
Die Aufzeichnungen lassen Goldsteins wissenschaftliche Kontakte und Aktivitäten im In- und Ausland
nacherleben, die Nähe zu seinem Lehrer Rudolf Eucken, die wachsende Distanz zu seinem Studienfreund
Max Scheler. Deutlich wird auch, wie wichtig sein Werben in Deutschland für die Lebensphilosophie Henri
Bergsons und für den Pragmatismus von William James war. Obgleich vielseitig begabt, blieb ihm ein
Lehrstuhl und damit der sichtbarste Ausdruck beruflichen Erfolgs lange versagt: Die Akkulturation, die er
erfolgreich absolvierte, vermochte es nicht, alle sozialen Barrieren einzureißen. Wie so viele andere
deutsche Juden glaubte er sich jedoch 1914 beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die Einheit der Nation
eingeschlossen. Freilich belehrten ihn schon bald Militarismus, Herrschaftsmissbrauch und Antisemitismus
im Heer eines Besseren. Seine eindringlichen Frontschilderungen stellen Tod und Sterben sowie den
zunehmenden zivilisatorischen Verfall unter Offizieren und Mannschaften in den Mittelpunkt. Das liest
man aus der Perspektive eines jüdischen Offiziers selten.
Nach dem Krieg mischten sich Erwerbssorgen für die Familie mit politischen Zukunftsängsten. Mit Verve
verfolgte Goldstein das Projekt einer deutsch-jüdischen Kulturnation. Jetzt entstand seine politische
Publizistik zum Antisemitismus, zur Pädagogik und zur Presse. Es ging ihm darum, den Dialog zwischen der
jüdischen Minderheit und der nichtjüdischen Mehrheit anzuregen. Der Konflikt um seinen Lehrstuhl in
den Jahren 1925/26, der sog. „Fall Goldstein“, ist Ausdruck eines weit verbreiteten Antisemitismus an den
deutschen Universitäten. In den innerjüdischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik war
Goldstein ein strikter Parteigänger des liberalen Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens, für den er 1923/24 eine Vor-tragsreise in die USA unternahm.
Mit der Auswahl-Edition der Tagebücher Goldsteins liegen nun die Betrachtungen eines Intellektuellen zu
den widersprüchlichen Jahrzehnten zwischen 1890 und 1929 vor. Das sozial-, wissenschafts- und
mentalitätsgeschichtliches Interpretationspotential der Aufzeichnungen fasziniert ebenso wie ihr lokalund
regionalgeschichtlicher Informationsgehalt. Alle handelnden Personen sind im wissenschaftlichen
Kommentar und über einen Index erschlossen.weiterlesen
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